Gothaer bietet Mitgliedern Genussscheine

Von Herbert Fromme, Köln Bis 15 000 Euro können die Kunden des Kölner Versicherungskonzerns Gothaer künftig in Genussscheine des Unternehmens investieren. Jährlich sollen Tranchen von 80 bis 100 Mio. Euro aufgelegt werden. Insgesamt will Werner Görg, der seit November 2001 die Gruppe führt, über die Genussscheine bei den 3,41 Millionen Kunden bis zu 500 Mio. Euro einsammeln – immerhin die Hälfte des jetzigen Eigenkapitals von 1 Mrd. Euro. Die Genussscheine werden wahrscheinlich mit einem Basiszins plus einer ergebnisabhängigen Komponente ausgestattet.

„Wir haben bei keinem Konzernunternehmen unmittelbaren Kapitalbedarf“, betonte Görg. Er übernahm das Amt von Wolfgang Peiner, der als Finanzsenator nach Hamburg wechselte. Auch gebe es keinen Grund, eine Kriegskasse für Übernahmen zu schaffen. „Da ist nichts geplant.“

Gespräche mit der Signal Iduna über eine Fusion seien ohne Ergebnis beendet worden, allerdings sei das keine endgültige Absage an ein Zusammengehen. „Wir sprechen mit allen Versicherungsvereinen, die auf uns zukommen“, sagte Görg.

Für Görg ist das Genussscheinprogramm vor allem ein Instrument der Kundenbindung. Es soll der Stärkung des Vereinsgedankens im Konzern dienen. Die Gothaer-Gruppe, die in den letzten Jahren als Parion auftrat, ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, Kunden sind automatisch Mitglieder. Als Vorbild dienen Görg die Volksbanken und Raiffeisenkassen, deren Kunden Anteile an ihren Banken zeichnen können. „Das führt dort zu einer hohen Loyalität.“

Außerdem sei es nicht schlecht, relativ schnell Eigenkapital beschaffen zu können, sagte Görg. Er glaubt, dass sowohl die EU wie die Bundesregierung „sehr kurzfristig“ die Eigenkapitalanforderungen an die Versicherer erhöhen könnten.

Der Konzern wuchs im Jahr 2001 nur um ein Prozent auf 3,96 Mrd. Euro, deutlich schwächer als der Marktschnitt von 2,8 Prozent. Trotzdem sehen Görg und die neue Riege von Vorständen die Gothaer gut aufgestellt. Der schwache Zuwachs stamme vor allem aus der restriktiven Geschäftspolitik in der Schaden-und Unfallversicherung, wo sich die Gothaer von verlustbringendem Industrie-und Autoflottengeschäft trennte und weiter trennen wird. In 2001 griff die Sanierung noch nicht: In der Industrieversicherung allein machte die Gothaer 2001 bei 130 Mio. Euro Prämieneinnahmen einen technischen Verlust von 60 Mio. Euro.

Der Konzernabschluss, der noch nicht vorgelegt wurde, wird erstmals nach den International Accounting Standards (IAS) erstellt. Deshalb und wegen der Umstrukturierung seien die Jahre 2001 und 2000 kaum vergleichbar, sagte Görg. Für 2001 nannte er einen Gewinn von 5,7 Mio. Euro, auf Proforma-Basis wäre 2000 ein Verlust von 53,7 Mio. Euro herausgekommen. „Tatsächlich hat sich das Ergebnis 2001 verschlechtert.“

Vorstand Reinhard Blei nannte 2001 „das schwierigste Jahr seit Bestehen der Bundesrepublik für Kapitalanleger“. Die schlechten Aktienkurse belasteten das Ergebnis, ebenso wie die Probleme der Bankgesellschaft Berlin, an der die Gruppe mit 2,27 Prozent beteiligt ist. Auf diese Aktien musste die Gothaer 169 Mio. Euro abschreiben. Die neuen Möglichkeiten, Verluste auf Aktien nicht sofort im Abschluss zu zeigen, nutzte die Gruppe trotzdem nicht. Stolz ist Blei auf die alternativen Anlagen wie Hedge Funds, die jetzt 21 Prozent der 17,0 Mrd. Euro Kapitalanlagen ausmachen. Das Kapitalergebnis fiel von 1,19 Mrd. Euro auf 1,04 Mrd. Euro, die Bewertungsreserven gingen von 15,0 auf 6,5 Prozent zurück.

Eine positive Entwicklung nahm die betriebliche Altersversorgung. Hier sieht Blei die Gothaer in der Spitzengruppe der deutschen Versicherer. Die individuellen Riester-Verträge sind für ihn eher uninteressant, bisher verkaufte der Konzern 12 000. Im betrieblichen Geschäft hätten in den wenigen Wochen seit der Gründung der eigenen Pensionskasse schon 100 Unternehmen Verträge unterschrieben, weitere 250 verhandelten zur Zeit. Rund 50 000 Mitarbeiter seien schon abgedeckt.

Die Dauerbaustelle Berlin-Kölnische Kranken verlor 2001 weiter Kunden, statt 200 389 haben nur noch 195 875 eine Vollversicherung bei ihr. Dass die Prämien trotzdem kräftig von 684 Mio. Euro auf 711 Mio. Euro stiegen, liegt an erneuten saftigen Beitragserhöhungen.

Zitat:

„Wir sprechen mit allen Versicherungsvereinen, die auf uns zukommen“ – Gothaer-Chef Werner Görg

Quelle: Financial Times Deutschland

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