HDI sieht sich als lachenden Dritten

Der Haftpflichtverband der Deutschen Industrie (HDI) profitiert vom angespannten Verhältnis zwischen Wirtschaft und Versicherern. „Wir haben zu Beginn des Jahres überproportional viel Neugeschäft bekommen“, sagt Konzern-Chef Wolf-Dieter Baumgartl. Viel davon stamme von Unternehmen, die sich mit anderen Versicherern überworfen haben.

Das Industriegeschäft ist für Versicherer seit Jahren defizitär. Nach dem 11. September beschleunigten die Gesellschaften die begonnene Sanierung – häufig mit Methoden wie drastischen Preiserhöhungen oder dem plötzlichen Zurückziehen bereits gemachter Angebote. „Anders als viele andere sind wir mit Augenmaß vorgegangen“, sagt Baumgartl. Dass auch der HDI seinen Bestand in der Industrieversicherung sanieren müsse, stehe aber angesichts der tief roten Zahlen außer Frage.

Die Konzernmutter, der HDI Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, agiert gleichzeitig als Spezialversicherer für das Industriegeschäft. 2001 erlitt er einen versicherungstechnischen Rekordverlust von netto 100 Mio. Euro nach 57 Mio. Euro im Vorjahr. Schadenaufwand und Kosten betrugen also 100 Mio. Euro mehr als die Prämieneinnahmen, die brutto (vor Rückversicherung) um 15,9 Prozent auf 929 Mio. Euro und netto um 21,5 Prozent auf 377 Mio. Euro stiegen. Nur eine Sonderausschüttung der Tochter und Zwischenholding Talanx von 183 Mio. Euro machte einen Gewinn von 38 Mio. Euro möglich.

Auch beim HDI mussten die Kunden drastische Preiserhöhungen um bis zu 100 Prozent hinnehmen. Die Prämieneinnahmen in der Feuerversicherung lagen im ersten Quartal 2002 um 43,5 Prozent über dem Vorjahr, in der Haftpflichtversicherung um 14,3 Prozent. Wie viel davon auf höhere Preise zurückgeht, kann Baumgartl nicht sagen.

„Wir bemühen uns, die Sanierung partnerschaftlich hinzubekommen“, betont er. Nach dem 11. September hatte der HDI gegenüber vielen Mitbewerbern einen großen Vorteil. „Wir hatten unsere Risiken für 2002 bereits rückgedeckt“, erklärt Baumgartl. Viele Erstversicherer hatten nach dem Anschlag Schwierigkeiten mit ihren Rückversicherern. Der HDI hat mit der Hannover Rück einen eigenen Rückversicherer.

Auch mit seinem Engagement bei der Terrordeckung will der HDI in der Industrie gut Wetter machen. „In Fragen der Terrordeckung versuchen wir alle Hähne aufzudrehen“, sagt Baumgartl. In der Tat ist der Konzern hier gleich auf zwei Schienen unterwegs. Der HDI Industrieversicherer bietet eine Terror-Police an, allerdings nur mit einer Deckungssumme von 50 Mio. Euro. Gleichzeitig ist die Konzern-Tochter Hannover Rück an dem Luxemburger Spezialversicherer für Anschlagsdeckungen beteiligt, der unter Führung der Allianz entstanden ist. Glaubt man Baumgartl, so betreibt der Konzern diese Doppelstrategie nicht, um mehr Kunden zu gewinnen. Es gehe ausschließlich darum, mehr Kapazitäten zu schaffen, sagt er. „Wir sind erleichtert, wenn niemand von uns eine Terrordeckung will.“

Der Konzern hat im vergangenen Jahr das Geschäft mit Privatkunden von dem mit der Industrie getrennt und in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert. „Bereits das erste Geschäftsjahr mit der neuen Struktur hat gezeigt, dass die beiden Gesellschaften in ihren Marktsegmenten flexibler und für die Kunden zielgruppengerechter agieren können“, sagt Baumgartl.

Mit nur einem Prozent Zuwachs auf Beitragseinnahmen von brutto 633 Mio. Euro ist die HDI Privat Versicherung aber weit unter dem Marktschnitt von 2,9 Prozent gewachsen. „Wir stagnieren bei der Zahl der Verträge“, räumt Baumgartl ein. Dafür seien die „Intransparenz des Marktes“ und Vertriebsschwierigkeiten verantwortlich. „Der Preis ist nicht unser Problem. Aber wir haben nicht 15 000 Leute, die die Schönheit unserer Produkte unter die Menschen bringen“, erklärt er.

Diesen Nachteil will die HDI Privat Versicherung mit dem Aufbau einer Servicegesellschaft wettmachen, mit „einer zweistelligen Zahl“ Beschäftigter. Sie werden Autohäuser betreuen, über die KfZ-Policen verkauft werden sollen. Schon jetzt arbeitet der HDI mit Porsche, Ford, Daimler-Chrysler und Mazda zusammen.

Zitat:

„Wir wollen die Sanierung partnerschaftlich hin bekommen“ – Wolf-Dieter Baumgartl

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland

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