Börsen-Sorgen plagen Versicherer

Von Herbert Fromme, Köln Ruhig reagierte Marktführer Allianz auf den Börseneinbruch nach dem Worldcom-Desaster. „Wir gehen davon aus, dass die Börse zum Jahresende deutlich über dem jetzigen Indexstand liegen wird“, sagte eine Sprecherin der Allianz Lebensversicherung. Die Allianz habe ihr Aktienportefeuille in den letzten zehn Tagen weiter ausgebaut.

„Tatsächlich blicken viele Versicherer in einen Abgrund“, glaubt dagegen der Kapitalanleger einer mittelgroßen Gesellschaft. „Besonders die kapitalschwachen Gesellschaften haben große Probleme“, sagte Analyst Frank Stoffel von WestLB Panmure.

Mit einem Marktwert von mehr als 1000 Mrd. Euro liegen die Kapitalanlagen der Versicherer noch über dem Buchwert von 944 Mrd. Euro. Aber weil fast 20 Prozent davon in Aktien gehalten werden, schmälern fallende Kurse dieses Polster.

In den letzten Tagen haben Gesellschaften massiv Aktien verkauft. Ein wichtiger Grund: Mit Stichtag 30. Juni müssen sie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Quartalszahlen über ihre Kapitalanlagen übermitteln – und manche befürchten, dass die Behörde bei den heutigen Kursen hohe Aktienquoten monieren wird.

Dazu kommt ein noch drängenderes Problem. Für 2002 haben die meisten Lebensversicherer ihren Kunden mehr als sechs Prozent Verzinsung des Sparkapitals zugesagt. Wie sollen sie das verdienen? Bei den Aktien haben sie seit Jahresanfang 20 Prozent verloren, bei festverzinslichen Papieren bekommen sie kaum mehr als vier bis fünf Prozent.

Früher konnten die Versicherer die Lücke durch Gewinne aus Aktienverkäufen schließen, so genannte stille Reserven auflösen. Jetzt sind diese fast aufgebraucht. „Die Branche wird die Überschußbeteiligung für das nächste Jahr anpassen müssen“, sagte Hartmut Wagener, Geschäftsführer bei der AMB Generali Finanzanlagen-Management.

Das hilft allerdings nicht bei den aktuellen Schwierigkeiten. Nach dem 11. September hatte die Branche eine Gesetzesänderung erzwungen. Versicherer müssen den Wertverlust bei Aktien nicht sofort in ihrer Bilanz zeigen, sondern erst, wenn die Änderung dauerhaft ist. Gesellschaften, die diese Regelung 2001 in großem Stil angewendet haben, könnten 2002 erst recht Probleme bekommen, glaubt Sönke Papenhausen, Chef der Gothaer Asset Management. Sollten die Kurse weiter so niedrig bleiben, müssten viele Versicherer nach jetziger Gesetzeslage am Jahresende die Verluste aus zwei Jahren abschreiben oder realisieren. „Möglicherweise braucht die Branche eine weitere Gesetzesänderung“, sagte Papenhausen. „Sonst könnte es für manche existenzielle Probleme geben.“

Zitat:

„Möglicherweise braucht die Branche eine weitere Gesetzesänderung“ – Sönke Papenhausen

leitartikel Seite 31.

Quelle: Financial Times Deutschland

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