Münchener Rück muss massiv abschreiben

Von Herbert Fromme, München In einer ungemütlichen Lage befindet sich die Münchener-Rück-Gruppe. Der gewohnt hohe Gewinn aus den Kapitalanlagen geht schneller zurück als erwartet. Wegen der schlechten Verfassung der Börsen musste die Gruppe im ersten Halbjahr Wertberichtigungen auf Aktien und andere Papiere in Höhe von 1,5 Mrd. Euro vornehmen. Weitere Berichtigungen will Finanzchef Jörg Schneider nicht ausschließen.

Gleichzeitig verbessern sich die Ergebnisse im eigentlichen Versicherungsgeschäft. Seit rund zwei Jahren steigen die Preise, der 11. September hat den Trend noch verstärkt. Die zentrale Frage ist, ob diese Verbesserungen mittelfristig ausreichen, den Druck bei den Kapitalanlagen auszugleichen, oder ob sich die Märkte schnell genug erholen und wieder höhere Finanzerträge ermöglichen.

Noch komplizierter wird die Situation des weltgrößten Rückversicherers durch Sonderfaktoren. Einerseits kann das Unternehmen für das erste Halbjahr einen Rekordgewinn von 4,098 Mrd. Euro vorlegen, mehr als dreimal soviel wie im Vergleichszeitraum 2001. Damals hatte es 1,298 Mrd. Euro verdient. Der Anstieg stammt vor allem aus Sondererträgen in Höhe von 4,669 Mrd. Euro, die aus der Neuordnung der Beteiligungen mit der Allianz herrühren. Andererseits muss das Management in München bis zu 2 Mrd. Euro zur Sanierung der problembeladenen US-Tochter American Re aufbringen. Auch die Reserven für den Schaden aus dem Anschlag auf das World Trade Center musste die Münchener Rück um 500 Mio. $ auf 3,1 Mrd. $ erhöhen.

Kein Wunder, dass der Konzern bei der Vorlage der Halbjahreszahlen gestern keine Ergebnisvorhersage für das ganze Jahr machen wollte. „Wir haben auch bisher keine Prognose abgegeben“, sagte Schneider. Es bleibe dabei, dass der Konzern 1,7 Mrd. Euro erzielen wolle. Das sei aber nicht als Prognose zu verstehen. Beim Umsatz waren die Vorstände weniger zurückhaltend, sie erwarten eine Zunahme von zehn Prozent auf 40 Mrd. EuroEuro.

Die Gruppe ist zuversichtlich, dass sie auch in der nächsten Vertragsrunde zum 1. Januar 2003 zweistellige Preiserhöhungen durchsetzen kann. Im vergangenen Jahr waren die Preise im Industriegeschäft in manchen Fällen sogar verdoppelt worden, in der Standardrückversicherung stiegen sie um 20 bis 40 Prozent. Schneider äußerte sich resolut: Die Münchener Rück wolle eine Schaden-und Kostenquote von 100 Prozent durchsetzen, also nicht mehr für Schäden und Kosten aufbringen, als sie an Prämien einnimmt. „Geschäft, das ein solches Ergebnis nicht hergibt, werden wir im Regelfall nicht abschließen beziehungsweise kündigen.“ Schon 2003 sollen die 100 Prozent konzernweit erreicht sein, sagte Vorstand Clement Booth. In der ersten Hälfte 2002 waren es 164,5 Prozent, nach 135,1 Prozent im Vorjahr. Davon entfielen allerdings 12,4 Prozentpunkte auf das World Trade Center und 49,9 Punkte auf die Reservestärkung der American Re. „Nach Sonderfaktoren sind wir mit 102,2 Prozent um zehn Punkte besser als 2001“, sagte Schneider. Mit demselben Argument, mit dem die Münchener Rück die Großbelastungen auf der Ausgabenseite herausrechnet, müsste sie andererseits die durch den 11. September ausgelösten höheren Einnahmen herausfiltern.

Auf Übernahmen hat der Münchner Riese zur Zeit wenig Lust. Die Münchener Rück habe einige Unternehmen betrachtet, aber sehr hohe Anforderungen an die Rentabilität. Bei einer möglichen weiteren Entflechtung von Beteiligungen sieht sich die Gesellschaft durch die Debatte um die Abschaffung der Steuerfreiheit für Veräußerungserlöse nicht unter Druck. „Ungeachtet des Ausgangs der Wahl sollten wir nicht davon ausgehen, dass es zu einer Änderung kommt“, sagte Schneider.

Zitat:

„Weitere Wert-berichtungen sind nicht ausgeschlossen“ – Finanzchef Schneider

Kapital Seite 19.

Quelle: Financial Times Deutschland

Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.

Diskutieren Sie mit