BGH entscheidet gegen Axa im Essener Brustkrebsskandal

Von Ilse Schlingensiepen, Köln Trotz eines weiteren Etappensieges müssen die Patientinnen in einem der größten Arzthaftungsfälle der Bundesrepublik voraussichtlich noch lange auf Entschädigung warten. Im so genannten Essener Brustkrebsskandal hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Revision der Axa-Tochter Deutsche Ärzteversicherung (DÄV) wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg zurückgewiesen. Die DÄV hat zwar noch nicht über das weitere Vorgehen entschieden, eine Fortsetzung der juristischen Auseinandersetzung ist aber wahrscheinlich.

Die DÄV war der Arzthaftpflichtversicherer des Pathologen Josef Kemnitz. Der Arzt hatte in den 90er Jahren offenbar bei vielen Frauen mit Verdacht auf Brustkrebs falsche Diagnosen gestellt. Warum, ist bis heute ungeklärt – Kemnitz kam bei einem Feuer in seinem Institut ums Leben, fast alle Gewebeproben wurden vernichtet. Ende 2001 sprach das Oberlandesgericht (OLG) Hamm einer Patientin wegen der Amputation beider Brüste 250 000 DM Schmerzensgeld zu.

Gegen die Entscheidung, die Signalwirkung für 170 weitere Fälle hat, legte die DÄV Revision beim BGH ein. Sie hält die Argumentation des Gerichts für nicht schlüssig. Außerdem will sie klären lassen, ob bei derart groben wissentlichen Verstößen eines Arztes die Haftpflichtversicherung überhaupt greift. Die DÄV könnte mit bis zu 12,3 Mio. Euro in der Pflicht sein. Zu den Folgen der BGH-Entscheidung wollte der Versicherer gestern keine Stellung nehmen. „Wir prüfen das weitere Vorgehen und werden uns kurzfristig dazu äußern, aber nicht vorschnell“, sagte ein Unternehmenssprecher.

Rechtsanwalt Udo Große Wentrup, der das OLG-Urteil erstritten hatte, hält diese Zurückhaltung für vorgeschoben. „Ein Versicherer mit einer derart hochkarätigen Schadenabteilung wird sehr wohl wissen, wie er weiter vorgeht“, sagte er. Große Wentrup ist optimistisch, dass die Frauen sich langfristig durchsetzen können. „Wir werden auch weiter Druck bei der Axa machen“, kündigte er an.

Verweigert die DÄV die Zahlung, müssen sich die Frauen an Kemnitz‘ Nachlassverwalter halten. Er könnte selbst die DÄV verklagen oder seine Ansprüche an die Patientinnen verpfänden. Das bedeutet weitere aufwändige Prozesse. „Bis zu einer endgültigen Entscheidung wird es noch lange dauern“, befürchtet Rechtsanwalt Raimund Bürger, der einige der Frauen vertritt.

Bei den Patientinnen hält sich die Freude über die BGH-Entscheidung deshalb in Grenzen. „Die Erfahrung hat uns gelehrt, vorsichtig zu sein“, sagte Hildegard Müller, Sprecherin der Interessengemeinschaft „Diagnose Brustkrebs“. Schon oft haben die Frauen gedacht, die für sie belastende Geschichte endlich zu einem Ende bringen zu können – bisher waren diese Hoffnungen vergeblich.

Zitat:

„Wir werden auch weiter Druck bei der Axa machen“ – Jurist Große Wentrup.

Quelle: Financial Times Deutschland

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