HDI-Angebot für Gerling ist zu niedrig

Offerte für Versicherer kaum akzeptabel für Eigner Deutsche Bank und Rolf Gerling “ Gespräche sollen aber weitergehen

Von Herbert Fromme, Köln Die Aussichten für die Deutsche Bank, ihren ungeliebten Minderheitsanteil beim Industrieversicherer Gerling ohne Schaden abgeben zu können, haben sich erneut verschlechtert. Der Haftpflichtverband der Deutschen Industrie (HDI) hat ein Angebot für die Gerling-Gruppe vorgelegt, das für die Eigner Rolf Gerling (65,5 Prozent) und Deutsche Bank (34,5 Prozent) kaum akzeptabel ist. Die Verhandlungen sollen aber in der kommenden Woche weitergeführt werden.

Der HDI schlägt vor, die operativen Gesellschaften von HDI und Gerling unter der HDI-Zwischenholding Talanx zusammenzuschließen. Nach Informationen der Financial Times Deutschland hat der HDI die gesamte operative Gerling-Gruppe für den Zusammenschluss mit etwas über 1 Mrd. Euro bewertet – sich selbst dagegen mit knapp 4 Mrd. Euro.

Außerdem sollen die beiden Altaktionäre der Gerling-Gruppe nur mit Aktien der Talanx bezahlt werden, die bisher nicht börsennotiert ist. Eine Barabfindung ist laut HDI-Angebot nicht vorgesehen. Als Ergebnis der Transaktion würden die Gerling-Aktionäre zusammen weniger als 25 Prozent an der Talanx halten.

„Das Angebot ist sowohl für Rolf Gerling als auch für die Deutsche Bank nicht annehmbar“, hieß es in Frankfurter Finanzkreisen. Die Aussichten für eine HDI-Lösung bei Gerling seien „dramatisch gesunken“. Alle drei Unternehmen lehnten es ab, Stellung zu nehmen.

HDI-Chef Wolf-Dieter Baumgartl legte das Angebot am 17. Dezember vor. Sowohl die Bewertung als auch die Form der Zahlung – nur Aktien, kein Bargeld – lösten bei den Gerling-Aktionären Irritationen aus.

Gerling-Chef Heinrich Focke hatte Anfang Dezember den Konzern ohne den ausgegliederten Rückversicherungsteil mit 2 bis 3 Mrd. Euro bewertet.

Die Deutsche Bank will sich ganz aus der Versicherungsbranche zurückziehen und deshalb ihren Anteil lieber heute als morgen verkaufen – und nicht gegen eine Beteiligung an einem anderen Versicherer, der Talanx, eintauschen.

Die Deutsche Bank hatte Rolf Gerling im März 2002 gezwungen, dem Verkauf der Mehrheit zuzustimmen: Die Notlage des konzerneigenen Rückversicherers Gerling Globale Rück (GGR) hatte Kapitalerhöhungen und Zuschüsse von insgesamt 810 Mio. Euro nötig gemacht, Rolf Gerling konnte aber nicht alle Maßnahmen mittragen.

Um den Konzern überhaupt attraktiv zu machen, musste er sich des angeschlagenen Rückversicherers entledigen. Nachdem Verkaufspläne gescheitert waren, stellte die GGR ihr Neugeschäft im Hauptbereich Schaden/Unfall ein. Die GGR wurde inzwischen an den Manager Achim Kann abgegeben. Er will das Lebensgeschäft verkaufen. Ein möglicher Käufer, die HDI-Tochter Hannover Rück, ist aber nicht mehr interessiert.

Der HDI liefert nach Angaben der Kreise eine interessante Begründung für die Form der Zahlung: Bargeld solle deshalb nicht fließen, weil die neue, kombinierte Gruppe jeden Cent brauche, um die staatlichen Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung, die so genannte Solvabilität, zu erfüllen. „Der HDI scheint sich ernsthafte Sorgen um die Solvabilität der Gerling-Gruppe zu machen“, hieß es in den Kreisen. Andererseits dürfte es die Hannoveraner Gruppe auch nicht leicht haben, einen hohen Barbetrag aufzubringen, lauten die Spekulationen.

Das Gerling-Management setzt jetzt verstärkt auf eine Beteiligung der deutschen Industrie, die Gerling als Industrieversicherungs-Alternative zur sonst übermächtigen Allianz erhalten will. Unter anderem soll August Oetker, Chef und persönlich haftender Gesellschafter der Oetker-Gruppe, nach Partnern für eine Beteiligung suchen. Ermutigt wurde das Gerling-Management durch Versicherungsmanager großer Konzerne, die sich mit der Gerling-Spitze am 5. Dezember im Schulungszentrum Marienburg des Konzerns trafen. Vertreten waren RWE, Bayer, Metro, Deutsche Post, Telekom, Eon und Lufthansa. Ob die Finanzchefs dieser Gruppen ein Engagement ähnlich positiv sehen, ist aber offen.

Kommt eine Beteiligung der Industrie bei Gerling nicht rasch zustande, ist der HDI trotz seines mageren Angebots in einer starken Position. „Baumgartl muss eigentlich nur warten. Gerling wird jeden Tag billiger“, sagte ein Versicherer.

Zitat:

„Das Angebot ist für die Gerling-Aktionäre nicht akzeptabel.“ – Finanzkreise

Bild(er):

HDI-Chef Wolf-Dieter Baumgartl würde gerne Deutschlands zweitgrößten Industrieversicherer Gerling und dessen Zentrale in Köln übernehmen. Branchenprimus ist die Allianz, HDI die Nummer drei – ddp; Jochen Luebke/Henning Kaiser/FTD-Montage.

Quelle: Financial Times Deutschland

Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.

Diskutieren Sie mit