Gerling-Konzern läuft die Zeit davon

Aktionäre des Versicherers suchen neue Kaufinteressenten “ Rettung steht im Vordergrund

Von Herbert Fromme, Köln Die Aktionäre des Gerling-Konzerns bieten die Gruppe oder Teile davon erneut auf dem Markt an. Die Versuche der Anteilseigner Rolf Gerling und Deutsche Bank, über einen Verkauf an den Haftpflichtverband der Deutschen Industrie (HDI) oder Private-Equity-Gesellschaften zumindest einen Teil ihrer einst wertvollen Gerling-Anteile kurzfristig zu Bargeld zu machen, sind endgültig gescheitert.

Jetzt geht es vorrangig um die Rettung des Konzernkerns, nicht um einen hohen Preis für die Aktionäre. Gespräche werden nach Informationen der FTD mit einer Reihe von potenziellen Interessenten geführt.

Allerdings hat keines der angesprochenen Unternehmen bisher zu erkennen gegeben, dass es den Kernbereich der Gerling-Gruppe als Ganzes übernehmen will. Er besteht aus dem Industrieversicherer Gerling-Konzern Allgemeine (GKA) und der Gerling-Konzern Lebensversicherung (GKL). Interessenten scheuen den Abschreibungsbedarf bei der Gerling Leben und die Übernahme von möglichen Belastung aus hohen Haftpflichtdeckungen. Gerling ist führend in der Versicherung der pharmazeutischen Industrie. Interesse besteht dagegen an einzelnen Geschäftsbereichen.Das lukrative Unfallversicherungsgeschäft, Teile des Industriegeschäfts und die Expertise in der betrieblichen Altersversorgung sind besonders gefragt.

Das mangelnde Interesse am Gerling-Kern könnte das Kalkül von Konzernchef Björn Jansli empfindlich stören: Er setzt immer noch auf den Erhalt der Gruppe. Sie ist in der deutschen Industrie wegen ihres ausgezeichneten Fachwissens hoch angesehenen. Offenbar glaubt Jansli, der Heinrich Focke Anfang März ablöste, dass sich neue Interessenten finden, sobald seine wichtigste Baustelle abgearbeitet ist: die Entfernung des hoch defizitären Rückversicherers Gerling Globale Rück (GGR) aus der Konzernbilanz.

Nur dann, so das Kalkül, können GKA und GKL auf eine Verbesserung ihrer Bewertungen durch die Rating-Agenturen hoffen, die bei Standard & Poor’s zurzeit „BB+“ beträgt. Die schwache Bewertung macht es für Industriekunden und Großmakler jeden Tag schwerer, Neugeschäft an Gerling zu geben. „Vor allem bei langlaufenden Haftpflichtrisiken suchen die Kunden nach Alternativen“, sagte ein Makler.

Doch der Verkauf der GGR hakt. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hatte den Verkauf an den Manager Achim Kann verboten. Kann sollte die GGR weitgehend abwickeln. Gerling konnte zwar gerichtlich die Aufhebung des Verbots durchsetzen, doch geht der Rechtsstreit jetzt in die nächste Runde. Das kann Wochen oder Monate dauern.

Wie es heißt, bietet auch der US-Investor Christopher Flowers inzwischen für die GGR. Es ist unklar, ob Jansli den Ausgang des Prozesses über den Verkauf der GGR an Kann abwartet oder vorher mit Flowers verhandelt, um den Rückversicherer schneller aus der Bilanz zu bekommen.

Von einem Befreiungsschlag ist Gerling weit entfernt. Die Zeit drängt. Die nächste Vertragserneuerungsrunde mit Industriekunden, die im Herbst beginnt, dürfte Gerling in dieser Aufstellung nicht überstehen. Es gilt in der Branche als denkbar, dass einige Interessenten für Teile des Gerling-Geschäfts genau darauf setzen.

Zitat:

„Bei langlaufenden Risiken suchen die Kunden nach Alternativen“ – Versicherungsmakler

Bild(er):

Ein Schritt vor, drei zurück – wie bei Monopoly. Die Gerling-Aktionäre haben vergeblich einen Käufer gesucht. Jetzt ist Gerling weniger wert – FTD-Montage; FTD/Peter Raffelt.

Quelle: Financial Times Deutschland

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