Münchener Rück erregt Misstrauen der Investoren

Spärliche Informationen über geplante Anleihe werfen Schlaglicht auf Baustellen des Versicherungskonzerns

Von Herbert Fromme, Köln Es hätte kaum schlechter laufen können für die Münchener Rück. Innerhalb von drei Tagen nach Bekanntgabe der Jahresergebnisse für 2002 am Donnerstag verlor die Aktie des größten Rückversicherers der Welt mehr als 30 Prozent. Gestern stürzte der Wert weiter ab und endete mit 52,50 Euro, ein Rückgang um 11,2 Prozent – dem tiefsten Stand seit zehn Jahren.

Es gibt zwei aktuelle Vorgänge, die als Auslöse des beispiellosen Falles gelten könnten. Standard & Poor’s, die wichtigste Rating-Agentur, senkte ihre Beurteilung der Münchener Rück noch am Donnerstag gleich um zwei Stufen von „AA+“ auf „AA-„. Der Konzern hatte außerdem vor zwölf Tagen erklärt, frisches Geld über eine Anleihe aufnehmen zu wollen – hat aber trotz einer früheren Ankündigung bis heute kaum Einzelheiten genannt. Weder Volumen noch Zinssätze stehen fest. „Wir testen diesen Markt zum ersten Mal aus, da wäre es falsch, sich vorher festzulegen“, sagte ein Sprecher gestern.

Beides führte dazu, dass sich vor allem institutionelle Anleger und Hedge Funds von ihren Aktien trennten und dabei den Preis nach unten trieben. Dahinter steht aber eine sehr viel düstere Bedrohung für den Münchener Geldkonzern: Die Märkte misstrauen ihm. Sie glauben offenbar nicht, dass das Management an der Königinstraße die akuten Probleme in den Griff bekommen kann.

Ein Kernproblem der Münchener Rück spielte bisher in der öffentlichen Diskussion kaum eine Rolle: Der Konzern ist in großem Umfang am angeschlagenen deutschen Retail-Bankenmarkt beteiligt. Der Münchener Rück gehören 26 Prozent der HypoVereinsbank, 10 Prozent der Commerzbank – und 20 Prozent der Allianz, die wiederum 100 Prozent an der Dresdner Bank hält.

Der Konzern ist in hohem Maße exponiert: die Bankenkrise schlägt ganz direkt durch, weil die Münchener Rück die Allianz und die HVB in ihren Bilanzen konsolidiert. Das könnte sich mit der geplanten Absenkung des Anteils an der Allianz auf 15 Prozent ändern, der Kern des Risikos bleibt, denn die Münchener Rück verringert die Stückzahl Allianz-Aktien nicht. Sie nimmt nur nicht vollständig an der Kapitalerhöhung der Allianz teil.

Die Münchener Rück sah sich in den letzten Jahren gerne in einer besseren Position als die Allianz, weil sie nicht den Fehler gemacht hatte, die Mehrheit an einer Bank zu übernehmen. In Wirklichkeit haben sich die beiden Gesellschaften in ähnlichem Maße im Bankbereich verstrickt.

Frappierend auch die Parallelen in ihren unglückseligen US-Engagements. Die Allianz blutet bis heute für die Übernahme der Versicherungsgesellschaft Fireman’s Fund, die trotz zahlreicher Sanierungsfälle am Tropf der Münchener Muttergesellschaft hängt.

Ähnlich problematisch eingekauft hat die Münchener Rück. Die Tochter American Re weist immer neue, tiefe Löcher auf, die vom Konzern gestopft werden müssen – zuletzt 2 Mrd. Euro für Umwelt-und Asbestlasten, die Ende der neunziger Jahre schon unter Münchener-Rück-Hoheit angehäuft wurden und 2002 ans Licht kamen.

Auch die hohe Aktienquote des Münchener Konzerns wirkt sich jetzt negativ in der Beurteilung der Anleger aus. Noch Ende 2001, 21 Monate nach Beginn des Verfalls der Aktienmärkte, hatte die Münchener Rück 33,3 Prozent ihrer Kapitalanlagen in Aktien, einschließlich der 10,3 Prozentpunkte in Papieren der Allianz und der HVB. Ein Jahr später lag die Aktienquote bei 15,5 Prozent, einschließlich 4,3 Prozentpunkte Allianz-und HVB-Aktien. Die Rück musste 2002 im fallenden Markt in großem Stil liquidieren.

Zwar hat das Unternehmen einen ausgezeichneten Ruf in seiner Branche. Aber vielen Anlegern stellt sich dennoch die Frage, ob der Konzern im Kerngeschäft Rückversicherung genug verdienen kann, um die anderen Probleme in den Griff zu bekommen. Zweifel sind angebracht: Schon für 2002 waren die Preise für Rückdeckungen kräftig gestiegen. Dennoch hat die Gruppe eine Schaden-und Kostenquote von 122,4 Prozent der Beitragseinnahmen eingefahren, also ein sattes Defizit.

Die Münchener Rück ist in einer äußerst prekären Situation. Um ihre Rolle als führender Rückversicherer zu halten, kann sie sich eine weiteres Downgrading durch die Rating-Agenturen nicht leisten. Aber Standard & Poor’s sieht die Gruppe mit „negativem Ausblick“. „Ein A+ wäre tödlich“, glaubt Analyst Frank Stoffel von der WestLB Panmure. Um das zu verhindern, müsste die Münchener Rück möglicherweise doch zum bei Anlegern und Analysten unbeliebten Instrument der Kapitalerhöhung greifen – und damit dem Kurs noch mehr schaden.

Zitat:

„Eine Herabstufung auf,A+‘ wäre tödlich“ – WestLB-Panmure-Analyst Frank Stoffel

Bild(er):

Skulptur „Walking Man“ vor der Zentrale der Münchener Rück. Der Aktienkurs des Rückversicherers ist so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr – Bernd Schuller

www.ftd.de/muenchener-rueck .

Quelle: Financial Times Deutschland

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