VW beurteilt MAN-Kauf nicht als zwingend

Beteiligte Unternehmen sehen Alternativen zu möglicher Übernahme · Enge Kooperation mit Aktientausch wahrscheinlicher

Von Guido Reinking, Hamburg, Alexandra Borchardt, München, und Herbert Fromme, Köln Eine Übernahme des Münchner Nutzfahrzeugherstellers MAN durch Volkswagen ist in weite Ferne gerückt. VW-Kreise betonten gestern, dass die Nutzfahrzeugstrategie des Konzerns nicht zwingend den Kauf einer weiteren Marke vorsehe. Auch die Kapitalmärkte beurteilten eine Übernahme für VW kritisch. In Versicherungskreisen wird sogar bestritten, dass es überhaupt schon ernsthafte Gespräche zwischen VW und der Allianz, Großaktionärin bei MAN, gegeben habe.

Am Wochenende hatten Meldungen die Runde gemacht, VW-Chef Bernd Pischetsrieder habe mit Allianz-Beteiligungsvorstand Paul Achleitner über den Kauf von MAN Nutzfahrzeuge verhandelt. Allianz hält indirekt 14 Prozent an MAN. Offiziell lehnen die beteiligten Unternehmen jeden Kommentar ab. Aus Versicherungskreisen hieß es jedoch, VW und Allianz hätten über das Thema noch nicht gesprochen.

VW-Kreise betonten gestern, was Pischetsrieder noch bei der Vorstellung der Jahresbilanz im März gesagt hatte: VW wolle im Nutzfahrzeuggeschäft zwar zum Vollanbieter werden, vom Eintonner bis zum 40-Tonner. „Das heißt aber nicht, dass wir diese Lkw alle selber bauen müssen“, so Pischetsrieder vor vier Monaten. Damit wird eine enge Kooperation zwischen MAN und VW, möglicherweise untermauert durch einen Aktientausch, wahrscheinlicher als eine komplette Übernahme.

VW ist mit seiner Transportersparte und der strategischen Beteiligung am schwedischen Nutzfahrzeughersteller Scania zwar bei den schweren Lkw und den Transportern vertreten. Zwischen 7,5 und 16 Tonnen klafft aber eine große Lücke. MAN hat mittelschwere Lkw; zugleich gibt es allerdings eine Reihe von Überschneidungen mit Scania.

Auch der Vorstand des Münchner Mischkonzerns, der neben Lkw und Bussen auch noch Druckmaschinen und Industrieanlagen herstellt (siehe Grafik), kann sich eine Kooperation besser vorstellen. Alles andere betrachte der Vorstand als feindliche Übernahme, hieß es gestern in München. Offiziell wollte auch MAN Nutzfahrzeuge die Nachrichten nicht kommentieren. Ein Sprecher betonte lediglich: „Wir können selbstständig am Markt bestehen.“

Bei Scania ist man ebenfalls skeptisch: „Wir arbeiten bereits mit MAN zusammen, wie auch mit anderen Herstellern“, sagte ein Scania-Sprecher gestern. So werde MAN von Scania Getriebe beziehen, Scania im Gegenzug MAN-Achsen einbauen. Weitere Synergien sehe man nicht.

So urteilen auch die meisten Analysten: „In der Produktion sehe ich zwischen MAN und VW keinerlei Synergien“, sagte Analyst Arndt Ellinghorst von der WestLB Panmure. Im Vertrieb seien zwar Vorteile sichtbar, die könnten aber auch durch eine Kooperation gehoben werden.

Zudem, so Ellinghorst, lasse die Liquiditätslage bei VW ein milliardenschweres Engagement derzeit gar nicht zu: „Da wäre eine Kapitalerhöhung nötig.“

Ähnlich sahen es gestern offenbar die Kapitalmärkte: Während die Aktien von MAN und der Allianz überdurchschnittlich zulegten, gehörte VW zu den schwächeren Titeln im Deutschen Aktienindex.

Denn ein Verkauf von MAN – allein die Lkw-Sparte hat einen Wert von rund 2 Mrd. Euro – brächte der Allianz einen netten Sondergewinn ein. An der Börse wird der MAN-Konzern mit einem deutlichen Konglomeratsabschlag bewertet, weil es zwischen den Sparten kaum Synergien gibt.

Deshalb sieht Albrecht Denninghoff, Analyst bei der HypoVereinsbank, eine Zerschlagung des Konzerns auch positiv: Er hält die Übernahme von MAN durch Finanzinvestoren und ein Herauslösen der Nutzfahrezugsparte für die interessanteste Option. Der Zeitpunkt sei günstig, denn die Aktien seien niedrig bewertet. Dies könnte sich bei einer spätestens für das kommende Jahr erwarteten anziehenden Nutzfahrzeugkonjunktur schon bald ändern. Eine Übernahme von MAN durch VW allein kann sich Denninghoff allerdings nicht vorstellen.

Bild(er):

Kühler eines schweren MAN-Trucks. Prangt hier bald das VW-Zeichen? – Rolf Braun.

Quelle: Financial Times Deutschland

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