Hansa bietet als erster Veranstalter Seeurlaub als Schnäppchen an · Branche widersetzt sich dem Vorstoß · Kurzfristiger Boom erwartet

Nach den Billigfliegern kommen jetzt die Billigkreuzfahrer: Der Bremer Veranstalter Hansa Kreuzfahrten bietet künftig Mittelmeer-Trips für 39,90 Euro pro Person und Tag an. Bei anderen Anbietern kostet die Reise dagegen im Schnitt 200 Euro am Tag.

Die Billigwelle trifft eine Branche, bei der angesichts leerer Kassen ohnehin die Nerven blank liegen. Teilweise können die Firmen ihre Schulden nicht mehr zahlen. Ein Preiskampf könnte daher für manchen Anbieter mittelfristig das Aus bedeuten.

Das Schnäppchenangebot bringe zwar kurzfristig mehr Passagiere, schade am Ende aber der Branche, warnt daher der Hamburger Kreuzfahrtexperte Helge Grammerstorf. „Für den Preis ist eine Reise nicht zu produzieren. Wenn dieser Trend anhält, wird es bald die ersten Fälle geben, wo Unternehmen trotz voller Schiffe Pleite gehen.“

Die Konkurrenz hat schon Widerstand angekündigt. Hapag-Lloyd Kreuzfahrten will sich dem Trend widersetzen. Mit 151 Mio. Euro Umsatz im Jahr 2002 ist die Kreuzfahrtabteilung die deutlich kleinere Sparte der Hapag-Lloyd AG, die der Mutterkonzern TUI im zweiten Halbjahr an die Börse bringen will.

Das Unternehmen versucht sich durch Exklusivität von der Billigkonkurrenz abzuheben. Obwohl beim Umsatz eher klein, spielt Hapag-Lloyd Kreuzfahrten mit vier Hochseeschiffen im deutschen Markt für gehobenen Seeurlaub eine wichtige Rolle. Auf der „Europa“, die wiederholt als weltweit bestes Kreuzfahrtschiff ausgezeichnet wurde, kostet eine Kreuzfahrt etwa 500 Euro am Tag, auf der „Columbus“ 210 Euro. „Wir setzen stattdessen darauf, unsere Reisen qualitativ aufzuwerten, etwa durch besondere Veranstaltungen und Angebote“, sagt eine Hapag-Lloyd-Sprecherin. Das könne eine Golfreise sein, der Besuch von Spitzenköchen oder der Auftritt eines bekannten Musikers.

Kreuzfahrtteilnehmer hatten in Deutschland jahrelang den Ruf elitärer Senioren-Zirkel. Erst die „Aida“-Clubschiffe des Neu-Isenburger Veranstalters Seetours – mittlerweile eine Tochter des US-Kreuzfahrtriesen Carnival – brachten den Markt in Bewegung. Im vergangenen Jahr, so hofft Richard Vogel, Marketing-Direktor bei Seetours und Vorsitzender des Schifffahrts-Ausschusses im Reiseveranstalter-Verband DRV, könnte die Branche zum ersten Mal die Schallgrenze von 500 000 Hochsee-Passagieren aus Deutschland durchbrochen haben.

Doch mit den traditionellen Land-Urlaubern kommt auch eine neue Mentalität an Bord: Kurzfrist-Buchung und Schnäppchenjagd sind angesagt. Die Aktionen reichen von kostenlosen Kinderreisen bis zu 99-Euro-Trips für die zweite Person in der Kabine. Das Angebot von Hansa Kreuzfahrten ist der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung.

„Wir bleiben dabei, breite Urlauberschichten für die Kreuzfahrt mit attraktiven Preisen zu erschließen“, sagt Geschäftsführer Stefan Mathias von Hansa Kreuzfahrten. Nizza sei als Ausgangsort ideal, weil es als Ziel verschiedener deutscher Billig-Fluggesellschaften zu erreichen ist.

„Der Preis ist anscheinend wichtiger geworden als Leistung und Qualität“, sagt Vogel. Aber er muss zugeben, dass sich Seetours dem Trend nicht entziehen kann. Die erstmals angebotenen Asien-Touren konnte Seetours wegen der Sars-Krise im letzten Jahr nicht angemessen bewerben, die Kabinen mussten durch Schnäppchenpreise gefüllt werden.

Branchenkenner Grammerstorf dagegen fürchtet, dass viele Passagiere an Land bleiben, wenn die Tarife anziehen. „Ich kann die Nervosität bei einzelnen Veranstaltern nachvollziehen, die ihre Preise senken, um die Schiffe zu füllen“, sagt er. „Aber es wird wahnsinnig schwierig, den Preis wieder nach oben zu bekommen, ist er erst einmal so tief gefallen.“

Dabei befindet sich die Branche bereits in der Krise. In der vergangenen Woche ließ die französische Werft Alstom drei Kreuzfahrtschiffe des Betreibers Festival Cruises festlegen, weil Verhandlungen über eine vollständige Zahlung des Baupreises für die Schiffe erfolglos verliefen. In ähnlichen Nöten ist Royal Olympic Cruises. Es schuldet der Werft Blohm + Voss sowie den Banken Kfw-Gruppe, Dresdner Bank, Fortis Bank und NordLB insgesamt 250 Mio. Euro. Nachdem die Gläubiger den Arrest zweier Schiffe in den USA vorbereitet hatten, stimmte Royal Olympic dem Verkauf von drei seiner sechs Schiffe zu, um Schulden zu bezahlen.

Bild(er):

Auf dem Clubschiff „Aida“ der Deutschen Seereederei sonnen sich Urlauber auf dem Deck: Kreuzfahrten könnten bald Massengeschäft werden – Ullstein/Lutter

Katrin Berkenkopf

Quelle: Financial Times Deutschland

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