Berlin hadert mit EU über Rückversicherer

Europaweite Regulierung geplant · Bundesregierung ist mit Kommissionsplänen zur Eigenkapitalausstattung nicht einverstanden

Von Doris Grass und Birgit Jennen, Brüssel, und Herbert Fromme, München Zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission bahnt sich ein neuer Streit über die Regulierung der Rückversicherer an. EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein wird in den kommenden Wochen eine Richtlinie vorlegen, die unter anderem strengere Eigenkapitalvorschriften für Rückversicherer vorsieht als ein von der Bundesregierung geplantes Gesetz.

Der Richtlinienentwurf, der der FTD vorliegt, würde es der EU-Kommission erlauben, für einzelne Sparten der Schaden-Rückversicherung (ohne Haftpflicht) um bis zu 50 Prozent höhere Anforderungen an das Eigenkapital vorzuschreiben – die so genannte Solvabilität. Nur wenn die Finanzminister dem mit qualifizierter Mehrheit widersprechen, kann die EU die Verschärfung nicht umsetzen. Für die Haftpflichtsparten sieht die Richtlinie ohnehin eine um 50 Prozent höhere Unterlegung vor.

Die Bundesregierung will dagegen die Eigenkapitalerfordernisse für Erst- und Rückversicherung ähnlich halten. Sonst würde der Rückversicherungsschutz tendenziell teurer, die europäischen Rückversicherer verlören an Konkurrenzfähigkeit, befürchtet Berlin. „Die Solvabilitätsanforderungen sollen sich an denen der Erstversicherer orientieren“, heißt es in diplomatischen Kreisen.

Rückversicherer sind die „Großhändler“ des Risikos. Sie übernehmen Teile der Risiken der Erstversicherer wie der Allianz und erhalten dafür einen Teil der Prämien. Der Kollaps eines Rückversicherers hätte gravierende Auswirkungen auf die Zahlungsfähigkeit der Erstversicherer und damit auf die Finanzmärkte. Durch eine zwingend vorgeschriebene Eigenkapitalausstattung will die EU das Problem entschärfen.

Die EU-Kommission plant mit der Richtlinie auch einheitliche Registrierungs- und Aufsichtsvorschriften für die bisher unregulierten und unbeaufsichtigten Rückversicherer. Damit setzt sie zum einen die Schaffung eines EU-weiten Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen um, reagiert aber auch auf das gewachsene Risikopotenzial für die Branche durch Terroranschläge und Katastrophen. Zudem haben finanzielle Engpässe bei einzelnen Unternehmen wie der Globalen Rück (früher Gerling Globale Rück) die Aufmerksamkeit von Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) oder des Financial Stability Forum erregt. Sie forderten eine Regulierung und Aufsicht für die Branche, um die Finanzmarktstabilität nicht zu gefährden. Auch Versicherungsaufseher in anderen Ländern sind unruhig.

Der jetzige Zustand führt unter anderem dazu, dass deutsche Rückversicherer bei Geschäften in den USA hohe Sicherheiten für mögliche Schadenszahlungen stellen müssen. Darauf könnte die US-Aufsicht bei einer angemessenen deutschen Kontrolle und Regulierung verzichten.

Die deutschen Rückversicherer, die weltweit Marktführer sind, treten für die rasche Umsetzung der Richtlinie ein, sind aber wie die Bundesregierung gegen das Sonderrecht der Kommission, in einzelnen Sparten eine Verschärfung einzuführen. Die Bundesregierung will nicht auf die Verabschiedung der Richtlinie frühestens 2005 warten, sondern forciert ein eigenes Gesetz, in das die EU-Vorgaben eingearbeitet werden.

Das geplante Aufsichts- und Regulierungssystem der EU basiert auf gegenseitiger Anerkennung der Behörden in den Mitgliedsstaaten und schreibt eine Registrierungspflicht der Unternehmen im Land des Firmensitzes fest. Ist diese erfolgt, kann der Rückversicherer seine Produkte europaweit anbieten, ohne nochmalige Zulassung oder Zusatzanforderungen anderer EU-Länder.

Zitat:

„Die Solvabilitätsanforderungen sollen sich an denen der Erstversicherer orientieren“ – Diplomatische Kreise

Quelle: Financial Times Deutschland

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