So wird 2005

Was tut sich hinterm Horizont? Die FTD-Redaktion wagt einen Blick in die Zukunft und gibt ihre Prognosen fürs kommende Jahr ab

POLITIK

Kann die SPD die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gewinnen? Ja, wenn sich die Partei nicht durch Hartz IV, Rekordarbeitslosigkeit und ein Desaster bei der Maut neuen Ärger zuzieht. In beiden Ländern fehlt die Wechselstimmung. Die SPD kann sich an der Macht halten, aber nur weil die Grünen zulegen und deshalb einen Teil der zu erwartenden SPD-Verluste ausgleichen. In NRW wird Kanzler Schröder Seite an Seite mit dem Ministerpräsidenten Peer Steinbrück kämpfen, im Norden ist Günter Grass als Wahlhelfer für Heide Simonis aktiv. Das größte Problem der CDU sind ihre Spitzenkandidaten Peter-Harry Carstensen und Jürgen Rüttgers. Carstensen fiel durch missglückte PR-Aktionen auf, Rüttgers gilt als zu unentschlossen. Peter Ehrlich

Ist der Aufschwung in Deutschland zu Ende? Nein. Zwar werden eine etwas schwächere Dynamik im Ausland und die jüngste Euro-Aufwertung verhindern, dass die deutschen Exporteure ihre Verkäufe ins Ausland so kräftig steigern wie 2004. Trotzdem wird die Nachfrage aus dem Ausland die Konjunktur weiter stützen. Überdies gibt es Anzeichen, dass die Firmen wieder mehr investieren. Eine Chance ist zudem, dass die Haushalte wegen der letzten Stufe der Steuerreform erstmals seit drei Jahren den Privatkonsum wieder steigern. Sebastian Dullien

Steigt die Zahl der Arbeitslosen über fünf Millionen? Ja. Im Februar wird die (saisonal unbereinigte) Arbeitslosenzahl eindeutig über fünf Millionen liegen. Im vergangenen Februar lag die Zahl bereits bei 4,6 Millionen: Wenn nun noch die erwerbsfähigen Bezieher von Sozialhilfe hinzukommen, ist der Anstieg fast unausweichlich, selbst wenn die Ein-Euro-Jobber nicht mitgezählt werden. Nicht unwahrscheinlich ist, dass auch die saisonbereinigte Zahl die Rekordmarke erreichen wird.Maike Rademaker

Sinken die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung? Nein. Wegen steigender Ausgaben und stagnierender Einnahmen werden die Kassen ihre Beiträge im kommenden Jahr sogar eher anheben. Wenn die Arbeitgeber zum 1. Juli um 5 Mrd. Euro entlastet werden, steigen im Gegenzug die Beiträge der Arbeitnehmer. Timo Pache

Ratifiziert Frankreich die EU-Verfassung?

Ja, und zwar mit einer Mehrheit, die größer wird als beim knapp durchgekommenen Maastricht-Vertrag. Das Versprechen von Jacques Chirac, später ein Referendum über den EU-Beitritt der Türkei abzuhalten, hat die Debatte entschärft. Zudem ist der Plan linker Sozialisten gescheitert, die Verfassung zum Wegbereiter des Sozialabbaus zu stempeln. Thomas Klau

Wird Deutschland ständiges Mitglied im Uno-Sicherheitsrat? Ja. Deutschland profitiert davon, dass in der Uno-Generalversammlung über seine Kandidatur für einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat im Paket mit den Bewerbungen Japans, Indiens und Brasiliens abgestimmt wird. Die Chancen Deutschlands steigen, sollten sich auch die Afrikaner auf zwei Kandidaten einigen, etwa Südafrika und Ägypten. Sicher ist aber auch: Die neuen ständigen Vertreter werden anders als die Vereinigten Staaten, Russland, China, Frankreich und Großbritannien kein Veto-Recht bekommen. Wolfgang Proissl

Wird die Wahl im Irak dem Land Frieden bringen? Nein. Die Aufständischen werden in den Wochen vor dem 30. Januar versuchen, die Wahlen zur Nationalversammlung mit Anschlägen zu sabotieren, und irakische Politiker angreifen. Es gibt keine Indizien dafür, dass sich die Lage nach den Wahlen grundlegend bessern könnte. Viel spricht dafür, dass der Irak zum Sammelbecken für islamistische Terroristen wird. Joachim Zepelin

Werden die Atomkonflikte mit Iran und Nordkorea eskalieren? Nein. Der Durchbruch im Konflikt mit Iran wird möglich, nachdem die neue Bush-Regierung in den USA erstmals die Verhandlungen der europäischen Partner mit den Mullahs unterstützt. Iran bekommt im Gegenzug Zugang zu Technologie für die friedliche Nutzung der Atomenergie. Der Streit zwischen Nordkorea und den USA droht sich dagegen weiter zu verfestigen, China und Südkorea werden jedoch eine offene Eskalation verhindern. Sabine Muscat

Steht China nach dem Boom nun der Absturz bevor? Nein. Zwar wurde in China im vergangenen Jahr zu viel in Büros, Stahl- und Aluminiumwerke investiert. Zum großen Knall wird es aber nicht kommen. Alles deutet darauf hin, dass es Peking gelingt, das heiß gelaufene Wirtschaftswachstum sanft abzukühlen. Durch Einschränkungen bei der Kreditvergabe kann das überschäumende Investitionswachstum der letzten Monate eingedämmt werden. Sabine Muscat

Unternehmen

Wird KarstadtQuelle zerschlagen? Gut möglich. Die Insolvenz des Handelskonzerns ist zwar aufs Erste abgewendet, doch die Perspektiven für das Unternehmen sind nicht rosig: Zusätzliche Synergien zwischen Karstadt und Quelle sind kaum zu erwarten. Dass das Management um Christoph Achenbach, wie geplant, 1 Mrd. Euro durch den Verkauf von Firmenteilen zusammenbekommt, ist zweifelhaft. Vieles spricht dafür, dass der Konzern zerschlagen wird. Christiane Ronke

Wird Fiat verkauft? Nein. Fiat-Partner General Motors (GM) will die vor Jahren vereinbarte Option auf den Kauf der Autosparte nicht mehr akzeptieren. Sollten sich Fiat und GM nicht bis Ende Januar einigen, droht ein langwieriger Rechtsstreit, ein Verkauf an Dritte wäre kaum möglich. Geschmälert würden die Chancen, wenn Fiat-Präsident Luca di Montezemolo die Marke Alfa Romeo aus dem Fiat-Verbund herauseiste, um sie mit Ferrari und Maserati zu einem Luxuspool zu verschmelzen. Thomas Fromm

Muss eine US-Airline aufgeben? Ja, US Airways wird voraussichtlich vom Markt verschwinden. Zweimal schon musste die Fluglinie Gläubigerschutz unter Chapter 11 beantragen, dennoch hat sie es nicht geschafft, die Kosten deutlich zu senken. Der Streit zwischen einzelnen Mitarbeitergruppen, hohe Kerosinpreise und die Konkurrenz von Billigfliegern wie Southwest oder Jetblue erschweren die Sanierung. Jens Flottau

Kann sich Hartmut Mehdorn an der Bahn-Spitze halten? Ja. Nachdem Mehdorn im Herbst 2004 den Aufschub seiner Börsenpläne auf unbestimmte Zeit überstanden hat, wird den obersten Bahner der Nation bis zum Auslaufen seines Vertrags 2008 vermutlich nichts mehr von seinem Thron kippen können. Genösse Mehdorn nicht die Unterstützung des Bundeskanzlers und des Vize-Aufsichtsratschefs und Gewerkschaftsbosses Norbert Hansen, wäre er wohl schon 2004 nicht mehr zu halten gewesen. Ileana Grabitz

Finanzen

Wird Werner Seifert Chef einer Superbörse? Ja. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse schafft es, die traditionsreiche London Stock Exchange (LSE) zu übernehmen. LSE-Chefin Clara Furse hat aus Sicht ihrer Aktionäre keine andere Wahl, als einzuschlagen. Diese werden versuchen, den Preis hoch zu treiben und dann zu verkaufen. Da die Deutschen mehr Spielraum haben als die Rivalen der paneuropäischen Börse Euronext, geht der Zuschlag an Frankfurt.Meike Schreiber

Bleibt die Deutsche Bank eigenständig? Ja. Eine grenzüberschreitende Fusion, in der das größte deutsche Geldhaus zumindest als gleichberechtigter Partner auftritt, scheidet aus, weil sein Börsenwert zu niedrig ist. Eine Übernahme durch ein ausländisches Institut ist allerdings auch unwahrscheinlich. Die Widerstände von Politikern, Industriekunden und Aufsichtsräten gegen einen Verkauf wären zu stark.Angela Maier

Kommt es zu einer Fusionswelle in der Versicherungswirtschaft? Noch nicht. Zwar stehen viele Gesellschaften zum Verkauf, aber es gibt kaum Käufer. Die Preise sind zu hoch, die politischen Unwägbarkeiten zu groß – vor allem wegen der Auswirkungen von Renten- und Gesundheitsreform auf Lebens- und Krankenversicherer. Überdies bremsen die niedrigen Zinsen potenzielle Käufer. Sie scheuen das Risiko der hohen Garantien, die viele Lebensversicherer ihren Kunden gegeben haben.Herbert Fromme

Knackt der Dax die 5000-Punkte-Marke? Gut möglich. Für steigende Kurse spricht unter anderem, dass sich die Anleger zurzeit fast genauso verhalten wie vor 70 Jahren: Nach dem Börsencrash 1929 stürzte der Dow-Jones-Index drei Jahre lang ins Bodenlose. In den darauf folgenden zwölf Monaten erholten sich die Kurse deutlich, dann tat sich mehr als ein Jahr lang fast gar nichts. 1935 setzte sich ein breiter Optimismus durch. Auch der Dax büßte in den drei Jahren des neuen Jahrtausends 70 Prozent seines Wertes ein, 2003 fanden sich die ersten mutigen Käufer, 2004 stagnierte der Markt. Der Dow gewann im Jahr sechs nach dem Crash rund 50 Prozent. Auf den Dax übertragen, wäre das ein Jahresschlussstand von mehr als 6000 Punkten.Joachim Dreykluft

Steigt der Euro weiter? Ja. Der Euro ist nach gängigen Schätzungen zwar bereits heute überbewertet, und die steigenden US-Zinsen machen Dollar-Anlagen attraktiver. Bei den Devisenhändlern steht aber die Sorge um das US-Leistungsbilanzdefizit im Vordergrund. Da die Märkte zu Übertreibungen neigen, könnten sie den Wechselkurs locker bis 1,40 oder 1,50 $ treiben. Mark Schieritz

Wer wird Alan Greenspans Nachfolger bei der Fed? Martin Feldstein. Der ehemalige Berater von Ronald Reagan ist in der Bush-Regierung hoch angesehen und stützt Washingtons Kurs einer radikalen Steuerreform. Zudem steht Feldstein für Kontinuität in der Zentralbank. Wie Greenspan stützt er eine eher aktivistische Geldpolitik. Mark Schieritz

Kultur & Sport

Schlägt Harald Schmidt Thomas Gottschalk? Nachdem Dirty Harry am 23. Dezember ohne seinen bewährten Musik-Zampano Helmut Zerlett, aber mit einer Fris“ur wie Rudi Carrell nach einem Zimmerbrand auf Sendung ging, erwarteten wir schon das Schlimmste. Doch der Meister lebt – und ätzte so brillant wie immer. Schmidt wird auch 2005 alle begeistern, auch wenn im Sommer Thomas Gottschalk, der Johannes Heesters der deutschen Pisa-Kultur, im ZDF gegen Schmidt antritt. Der Meister wird den blonden Tommy so deklassieren, dass dem der Talk vom Schopf bis in die Schuhe rieselt. Willy Theobald

Wer wird Deutscher Fußball-Meister? Für die Fachwelt, also vor allem die Trainer der Erstligaklubs, ist der Fall klar: Deutscher Meister wird der FC Bayern. Es spricht ja auch einiges dafür – nicht zuletzt, dass der Rekordmeister nach Hinrundenschluss auf Platz eins steht. Doch vor allem die königsblauen Glaubensbrüder aus dem Ruhrgebiet wollen einen Titelgewinn der Bayern verhindern. Diesmal scheinen das auch Schalkes Spieler ernst zu meinen. Immerhin stehen sie punktgleich hinter den Bayern. Und da sich Geschichte nicht wiederholt, nicht einmal die von 2001, und Schalke einmal länger als nur für vier Minuten Meister sein soll, wird der Klub den Titel diesmal gewinnen. Axel Kintzinger

Quelle: Financial Times Deutschland

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