Dauerregen löst Katastrophe in Bayern aus

Viele Orte von der Außenwelt abgeschnitten · Tote in Österreich und Schweiz · Schröder und Stoiber besuchen Region

Der Süden Deutschlands ist nach tagelangen Regenfällen von einer Flutkatastrophe getroffen worden. Heftige Unwetter stürzten gestern weite Teile Südbayerns ins Chaos. Am schlimmsten traf es die Region Garmisch-Partenkirchen, die komplett von der Außenwelt abgeschnitten war. Die örtliche Polizei sprach von einer „Chaos-Phase“. Rettungskräfte hatten Schwierigkeiten, zu der Gemeinde vorzudringen. In Eschenlohe, 15 Kilometer von Garmisch entfernt, brach auf einer Länge von 50 Metern ein Damm.

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber besuchte gestern die überschwemmten Gebiete. Bundesinnenminister Otto Schily reist heute in die Region, Bundeskanzler Gerhard Schröder will sich morgen ein Bild von der Lage machen. Union und FDP verschoben zudem ein für heute geplantes Spitzentreffen.

Auch 2002 war es wenige Wochen vor der Bundestagswahl zu schweren Überschwemmungen gekommen, damals in Ostdeutschland. Kritiker hatten vor allem Schröder seinerzeit vorgeworfen, er habe mit seinen Besuchen in der Region aus der Krise politisches Kapital schlagen wollen.

In den Landkreisen Garmisch-Partenkirchen und Bad Tölz-Wolfratshausen sowie in den Städten Augsburg und Kempten lösten die Behörden gestern Katastrophenalarm aus. Hunderte freiwillige Helfer sowie Einsatzkräfte von THW, Rotem Kreuz, Polizei und Bundeswehr waren im Einsatz. Teilweise fielen innerhalb von 24 Stunden bis zu 150 Liter Regen pro Quadratmeter. Viele Dämme konnten den Wassermassen nicht mehr standhalten.

Das 20 000-Einwohner-Örtchen Sonthofen wurde nach einem Dammbruch bis zu einem halben Meter überschwemmt. Die Feuerwehr forderte die Anwohner auf, sich in die oberen Stockwerke ihrer Häuser zu retten. In einem Haus wurden zwei Menschen vom Wasser eingeschlossen, ein Polizeihubschrauber konnte sie unverletzt bergen. Auf einem überfluteten Campingplatz wurden Wohnwagen weggeschwemmt. Bei Sicherheitskontrollen an einer Brücke wurde ein Bahnbeamter vom Hochwasser eingeschlossen. Auch er musste mit dem Helikopter gerettet werden. Die Wassermassen rissen Brücken aus Betonverankerungen, Erdrutsche blockierten Bahnstrecken und Straßen. Die Lechbrücke über der Autobahn A8 war akut einsturzgefährdet, die Strecke wurde zwischen München und Stuttgart komplett gesperrt. Die Autos stauten sich auf einer Länge von 20 Kilometern.

Die Flutkatastrophe könnte nach Angaben des bayerischen Umweltministers Werner Schnappauf dramatischere Ausmaße annehmen als das Pfingsthochwasser 1999. „Wir haben gigantische Wassermassen“, sagte er. Vor sechs Jahren waren 100 000 Menschen von der Katastrophe betroffen, der Schaden betrug 400 Mio. Euro.

Auch auf die Donau rollt derweil eine Hochwasserwelle zu. Wegen Überschwemmungsgefahr begann die Evakuierung einer Klinik in Neu-Ulm mit 240 Betten. Die Behörden gaben auch für die Region Chemnitz Hochwasserwarnungen heraus.

Die Versicherer haben derzeit noch keinen Überblick über den entstandenen Schaden. „Wir können erst in ein bis zwei Wochen eine seriöse Schätzung abgeben“, sagte ein Sprecher des Marktführers Allianz. Die Versicherung rechnet aber mit weitaus geringeren Schäden als bei der Flutkatastrophe im Osten vor drei Jahren, die sie 847 Mio. Euro kostete. Trotzdem wird der Schaden für die Branche hoch sein.

Auch die Schweiz und Österreich sind von der Flutkatastrophe betroffen. Über das Wochenende und am Montag fiel so viel Regen wie sonst im ganzen August. In Innsbruck stieg der Pegel des Inns pro Stunde um 25 Zentimeter, teilweise fiel die Strom- und Trinkwasserversorgung aus. Der Touristenort Lech am Arlberg war von der Außenwelt abgeschnitten, 16 Hotels mussten evakuiert werden.

Allein in der Schweiz kamen bisher fünf Menschen ums Leben, ein weiterer starb in Österreich. Besonders stark betroffen war die Region Luzern um den Vierwaldstätter See. Hier waren bereits am Montag zwei Feuerwehrmänner bei dem Versuch gestorben, Häuser vor dem Wasser zu schützen. Sie wurden von einer Schlammlawine mitgerissen und konnten nur noch tot geborgen werden. Der Schweizer Versicherungsverband rechnet mit Schäden im dreistelligen Millionenbereich.

Mittlerweile ist ein Ende des Dauerregens am Alpenrand in Sicht: Der Deutsche Wetterdienst sagte gestern ein spürbares Abklingen der Niederschläge voraus. Für heute seien nur noch geringe Regenmengen zu erwarten, der Donnerstag werde überwiegend trocken bleiben.

Bild(er):

Land unter: Der Ort Eschenlohe, 50 Kilometer südlich von München, steht zu großen Teilen unter Wasser. Zuvor war ein Damm auf 50 Metern gebrochen

Daniel Rettig, Berlin, und Anja Krüger, Köln

Quelle: Financial Times Deutschland

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