Talanx sticht Cerberus bei Gerling aus

Struktur des neuen europäischen Top-Anbieters in der Industrieversicherung offen · Zukauf macht Börsengang wahrscheinlich

VON Herbert Fromme, Köln Das Topmanagement des Kölner Gerling-Konzerns hat gestern die Unsicherheit unter den 6700 Mitarbeitern zu beschwichtigen versucht. Bei ihnen herrscht Unklarheit, welche Folgen der Verkauf der Gerling Allgemeine und Gerling Leben an Talanx/HDI für die Zukunft der Gruppe und ihrer Arbeitsplätze hat.

Gerling ist mitten in den entscheidenden Verhandlungen mit Kunden über die Vertragsverlängerung für 2006 und liefert sich heftige Auseinandersetzungen um wichtige Klienten – zum Teil mit dem bisherigen Konkurrenten HDI, zum Teil mit Marktführer Allianz und der besonders aggressiv auftretenden Zürich. Auftrieb erhielt Gerling durch die Rating-Agentur Standard & Poor’s (S&P), die eine Verbesserung der Beurteilung der beiden Versicherer prüfen will. Für Talanx kündigte S&P jedoch eine Überprüfung in Richtung Verschlechterung an.

„Der Geschäftsbetrieb soll und muss unverändert weiterlaufen“, schrieb Gerling-Chef Björn Jansli gestern per E-Mail an die Mitarbeiter. „Keine Maßnahme, keine Vollmacht und keine Kompetenz ändern sich bis auf weiteres. Jedes Angebot ist unverändert zu bearbeiten, und die vertrieblichen Ziele sind weiterhin ehrgeizig zu verfolgen.“ Vage äußert sich Jansli zur Zukunft der Standorte. „Es wird Aufgabe der beiden Vorstände sein, die Entscheidungskompetenzen dorthin zu verlegen, wo sie für die Unternehmensgruppe am effektivsten sind.“ Es werde Verschiebungen von Köln nach Hannover und umgekehrt geben. Ähnlich unpräzise sind Janslis Äußerungen zur Mitarbeiterstruktur. „Wir werden selbstverständlich die Interessen der Gerling-Mitarbeiter – im Einklang mit den Talanx-Zielen – so gut wie möglich vertreten“, versprach er. Versicherungskreise erwarten einen deutlichen Abbau der Mitarbeiterzahlen.

Talanx-Chef Wolf-Dieter Baumgartl kreiert mit dem Zukauf einen der führenden Industrieversicherer Europas. Baumgartl verhandelt seit 2003 mit den Gerling-Eignern Rolf Gerling, der 94 Prozent hält, und dem Aufsichtsratschef Joachim Theye, der sechs Prozent besitzt. Zwischenzeitlich war die Begeisterung für den Megadeal jedoch abgekühlt. Die Gerling-Eigner sprachen ebenfalls mit zahlreichen Finanzinvestoren. Seit Anfang des Jahres prüfte der US-Fonds Cerberus die Gruppe und machte ein Angebot, das allerdings an der Höhe und an Forderungen nach Garantien für mögliche Altlasten scheiterte.

Baumgartl erreicht jetzt sein Ende 2003 verkündetes Ziel, durch eine Großübernahme das Gewicht der Erstversicherung im Konzern zu stärken, um dann die Holding an die Börse zu führen. Talanx wird bisher von der Hannover Rück dominiert, die mehr als die Hälfte zu den Prämieneinnahmen von 14,2 Mrd. Euro beisteuert. An der Hannover Rück hält Talanx 51 Prozent.

Die Hannover Rück ist bereits an der Börse. Ohne Stärkung der Erstversicherung würde Baumgartl mit einem Talanx-Börsengang dieses Geschäft erneut an die Börse tragen. Deshalb musste er den Erstversicherungsbereich stärken. Talanx gehört dem Haftpflichtverband der Deutschen Industrie, einem Versicherungsverein – also seinen Kunden. Nur von der Börse, ist Baumgartl überzeugt, kann sich der Konzern künftig das nötige Kapital für sein Wachstum holen. Ein Teil-Börsengang der Talanx dürfte jetzt bald auf der Tagesordnung stehen.

Talanx kauft von der Oberholding Gerling-Konzern Versicherungs-Beteiligungs-AG (GKB) eine Zwischenholding, die Gerling Beteiligungs-GmbH (GBG). Sie hält 95 Prozent an der Gerling Leben, die übrigen fünf Prozent besitzt die GKB, die sie ebenfalls verkauft. Am Sachversicherer Gerling Allgemeine hält die GBG 65,4 Prozent. Der Rest ist im Streubesitz. Hier will Talanx ein Squeeze-out-Verfahren für die Minderheitsaktionäre beginnen. Dazu gehören viele Industriekonzerne, die den Versicherer 2004 mit 150 Mio. Euro stützten.

Nicht übernehmen wird Talanx die Obergesellschaft GKB. Sie hat rund 600 Mio. Euro Pensionsverpflichtungen für frühere Gerling-Mitarbeiter, die nur zum Teil durch Garantien der jetzt verkauften operativen Versicherer abgesichert sind. Zudem ist die GKB immer noch juristischer Eigentümer der in Abwicklung befindlichen Rückversicherung Globale Rück.

Zitat:

„Keine Vollmacht ändert sich bis auf weiteres“ – Björn Jansli, Gerling-Chef –

Bild(er):

Absprung: Die Alteigentümer Rolf Gerling und Joachim Theye geben die Macht in der Gerling-Zentrale in Köln an den Hannoveraner Konkurrenten Talanx ab – Henning Kaiser;

Quelle: Financial Times Deutschland

Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.

Diskutieren Sie mit