Die Branche steht vor einem Wendepunkt

Die Rückversicherer sprühen vor Selbstbewusstsein.In dieser Woche verhandeln sie mit ihren Kunden in Baden-Baden über die Verträge für 2007. Aber es gibt Gründe für ein gesundes Maß an Skepsis dsfgsd fs

VON Herbert Fromme Jack Welch, der frühere Konzernchef von General Electric (GE), gilt als Musterbeispiel für einen erfolgreichen Konzernlenker. Umso überraschter waren die Teilnehmer einer Kundenveranstaltung des Bermuda-Versicherers XL Capital am 5. Oktober in Boston, als Welch ganz ungeniert über einen der größten Fehlschläge seiner Karriere plauderte. 1984 hatte GE den Rückversicherer Employers Re gekauft. 2005 gab der Mischkonzern die inzwischen in GE Insurance Solutions umbenannte Gesellschaft „als Notverkauf, weil wir rauswollten“ für 8 Mrd. $ an Swiss Re ab. „Wir haben den Rückversicherungsmarkt nicht verstanden“, sagte Welch. GE wollte die Rückversicherung so aggressiv wie eine seiner Industriesparten betreiben – und scheiterte.

Welchs freimütiges Eingeständnis kommt zur richtigen Zeit. Die Rückversicherer sind an einem Wendepunkt – und in Gefahr, grobe Fehler zu machen. Die Großhändler des Risikoschutzes sind voller Selbstbewusstsein. Sie haben Hurrikan „Katrina“ und die anderen Megaschäden des Jahres 2005 gut verdaut, einige Gesellschaften zeigten sogar gleichzeitig ordentliche Gewinne. Volumen ist wieder in – Swiss Re hat GE Insurance Solutions gekauft, Scor den deutschen Lebensrückversicherungsspezialisten Revios. Für Scottish Re, den angeschlagenen Bermuda-Rückversicherer mit hohem Marktanteil in den USA, gibt es mehrere Interessenten.

Doch die Erfahrung von GE sollte ihnen eine Mahnung sein. „Als wir 1984 Employers Re kauften, hatte das Unternehmen einen wunderbaren Lauf im mittleren Marktsegment, als ruhiger Rückversicherer aus dem Mittleren Westen“, erläuterte Welch. Employers Re legte jedes Jahr zehn bis zwölf Prozent beim Umsatz zu. Für das Unternehmen lag es nahe, das Geschäft im großen Stil zu betreiben. GE kaufte weitere Gesellschaften und Bestände, immer auf der Suche nach zusätzlichem Volumen. Im Markt konkurrierte das Unternehmen mit aggressiven Preisen. „Ende der 90er-Jahre drehte sich der Markt“, sagte Welch. „Wir hatten unsere Preise auf Wachstum ausgerichtet und hingen plötzlich in einer fundamentalen Marktänderung.“ Wie andere Rückversicherer übernahm GE in den Jahren 1997 bis 2001 Haftpflichtrisiken zu viel zu niedrigen Prämien. Als in den Folgejahren das Schadenaufkommen aus dieser Zeit unvorhergesehen stieg, musste der Konzern Hunderte von Millionen Dollar nachschießen. „Wir wurden plattgemacht“, sagte Welch. GE habe sich lange von hohen Gewinnen und Wachstumsraten beeindrucken lassen. „Aber der Kern der Sache ist, dass wir einen Versicherungszyklus durchlebten und die falschen Preise berechneten.“

Im Moment geht in der Branche vordergründig alles gut, auch bei den Preisen. Seit zwei Jahren sind sie in der Assekuranz insgesamt unter Druck. Nach Jahren hoher Gewinne sind Gesellschaften bereit, niedrigere Preise zu akzeptieren und damit immer noch Gewinn zu machen. Der berüchtigte Versicherungszyklus aus Hoch- und Niedrigpreisphasen zeigt deutlich nach unten.

Allerdings trifft das im Moment vor allem Erstversicherer wie Allianz oder Zurich, die direkt mit Endverbrauchern Geschäfte machen. So fallen in der größten Sparte, der Autoversicherung, die Preise dramatisch. Die Rückversicherer konnten sich bislang davon abkoppeln. Sie geben sich optimistisch. „Wir sehen keine weitreichenden Preissenkungen“, sagte Münchener-Rück-Chef Nikolaus von Bomhard. Nach „Katrina“ seien die Prämien für Katastrophendeckungen deutlich gestiegen. Zwar gebe es Preisdruck etwa in der industriellen Sachversicherung, aber die Preise seien nach wie vor „risikoadäquat“. Michael Pickel von der Hannover Rück sieht zwar Preisdruck, fügt aber hinzu, die Rückversicherer hätten günstige Bedingungen durchgesetzt.

Wasser in den Wein gießt Brian Shea, renommierter Analyst der Investmentbank Merrill Lynch: „Die Rückversicherer werden es sehr schwer haben, attraktive Gewinne zu erwirtschaften.“ In den vergangenen zehn Jahren erzielten Münchener Rück und Swiss Re Gewinne von im Schnitt fünf bis acht Prozent, das sei „kaum ausreichend“. Das „Beziehungsmodell“ der europäischen Rückversicherer – lange, stabile Beziehungen zu den Kunden – sei in Teilen zusammengebrochen. „Das ermöglicht den Rückversicherern ein eher opportunistisches Geschäftsverhalten“, sagt Shea. Dadurch kann frisches Kapital sehr einfach in den Markt eindringen, wie sich auf Bermuda zeigt. Die dortigen Anbieter sind nach eigener Definition opportunistisch und aggressiv. Um einen Ausgleich für die hohen Sturmrisiken in den USA zu schaffen, drängen sie nach Europa und setzen die traditionellen europäischen Gesellschaften unter Druck. Die wehren sich und suchen neue Wege, um die Gewinne zu erhöhen. Dazu gehört die Verbriefung von Risiken, etwa durch Katastrophenanleihen. Durch die Beteiligung der Kapitalmärkte am Risiko können Rückversicherer ihre Bilanz entlasten und stete Gewinne erzielen, hoffen sie. Kern bleibt aber die Preisdisziplin. Und genau hier, fürchtet nicht nur Merrill-Lynch-Spezialist Shea, liegt die Achillesferse der Branche in den Jahren 2007 und 2008.

Zitat:

“ „Wir wurden plattgemacht“ “ – GE-Chef Jack Welch zur Erfahrung mit Rückversicherung –

Bild(er):

Fünfundvierzigtausend Millionen Dollar, also 45 Mrd. Dollar, musste die Assekuranz für die Folgen des Wirbelsturms „Katrina“ zahlen. Die Rückversicherer trugen die Hauptlast des größten Versicherungsschadens der Geschichte. Die Branche hat die Belastung vergleichsweise gut weggesteckt – es gab keine größeren Pleiten. Die Hurrikan-Saison 2006 war bisher harmlos – Corbis/Jim Reed Photography/Mike Theis

Quelle: Financial Times Deutschland

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