Versicherten winkt Geldsegen

Finanzaufsicht will Umsetzung verbraucherfreundlicher Urteile bei Lebensversicherungen erzwingen

Von Herbert Fromme, Köln Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erwägt eine härtere Gangart bei der Durchsetzung der Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Lebensversicherungen. In Finanzkreisen heißt es, die Behörde wolle auf dem Wege der „Missstandsaufsicht“ auch jene Gesellschaften zwingen, ausstehende Summen an frühere Kunden auszuzahlen, die sich bisher weigern. Damit würde die Behörde unter anderem direkt gegen Swiss Life vorgehen, die Niederlassung des Schweizer Lebensversicherers.

Zur Vorbereitung hat die Finanzaufsicht bereits einen Fragebogen an alle in Deutschland tätigen Lebensversicherer geschickt. In dem Schreiben, das der FTD vorliegt, fragt die BaFin unter anderem: „Halten Sie die von Ihnen seit dem Jahre 1994 verwendeten Bedingungen im Hinblick auf die BGH-Urteile vom 12.10. 2005 und vom 9.5. 2005 für hinreichend transparent?“ Bei Verneinung der Frage sollen die Versicherer mitteilen, dass sie „die Maßgaben des Urteils vom 12.10. 2005 einhalten“.

Bei Bejahung der Frage zur Transparenz fragt die BaFin näher nach. Die Unternehmen sollen der Aufsicht alle betroffenen Tarife sowie Bedingungen und Vertragsunterlagen zusenden. „Zusätzlich bitte ich Sie um eine Begründung Ihrer Auffassung“, heißt es. Die BaFin bestätigte die Aussendung des Schreibens, wollte aber keine weiteren Angaben machen.

Der BGH hatte am 12. Oktober 2005 geurteilt, dass Lebensversicherer Kunden einen Mindestrückkaufswert zahlen müssen, die ihre Verträge vorzeitig gekündigt haben. Es geht um Verträge, die zwischen Ende Juli 1994 und Mitte 2001 abgeschlossen wurden. Damalige Klauseln zum Abzug von Stornogebühren nach der Kündigung seien nicht transparent genug und damit unwirksam, urteilten die Richter des obersten Zivilgerichts. Sie gaben eine Formel vor, wie die Rückzahlung der gezahlten Beiträge zu errechnen ist. Danach steht den Kunden bei vorzeitiger Kündigung des Vertrags knapp die Hälfte der entrichteten Prämien zu.

Der Hintergrund: Wenn Kunden in den ersten Jahren nach dem Abschluss einen Vertrag kündigten, lagen die Rückzahlungen in der Regel deutlich niedriger als die eingezahlten Beiträge. Die Versicherer zogen Abschlusskosten – vor allem Provisionen für die Vertreter – und Stornogebühren ab. Nach dem BGH-Urteil stehen Hunderttausenden von Kunden Nachzahlungen zu. Schätzungen der BaFin über die Gesamtansprüche von Kunden gehen von einem „niedrigen einstelligen Milliardenbetrag“ aus. Manche Versicherer sind sehr zögerlich in der Bearbeitung von Anträgen auf Rückzahlung. Nach Auffassung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft sind Ansprüche aus dem BGH-Urteil ohnehin verjährt, wenn die Verträge vor dem Jahr 2000 gekündigt wurden. Das sehen Verbraucherschutzorganisationen wie der Bund der Versicherten anders, der das BGH-Urteil mit erstritten hat. Er geht davon aus, dass die Verjährungsfrist mit dem Tag des BGH-Urteils einsetzt.

Die Entscheidungen richteten sich gegen die Bedingungen einer Reihe von Versicherern, darunter Allianz Leben und Provinzial Nord. Andere Gesellschaften glauben, dass ihre Klauseln nicht unter das BGH-Urteil fallen. „Wir kamen zu dem Ergebnis, dass der Kunde sich aus mehreren Quellen informieren kann und damit insgesamt Transparenz gewahrt ist“, sagte ein Swiss-Life-Sprecher. „Diese Rechtsprechung ist nicht auf unsere Verträge übertragbar.“ Das habe auch der Versicherungsombudsmann Professor Römer in Dutzenden von Beschwerdeverfahren bestätigt, so der Sprecher. Deshalb lehne die Swiss Life Neuberechnung und Nachzahlung zu gekündigten Verträgen ab. Allerdings kann der Versicherungsombudsmann nicht aus eigener Vollmacht Klauseln aufheben, die nicht wörtlich identisch sind mit denen vom BGH angegriffenen. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat eine Sammelklage gegen die Aachen Münchener eingereicht.

Das Verhalten der Swiss Life und anderer Gesellschaften will die BaFin jetzt offenbar abstellen. Wenn die von den Versicherern verwendeten Klauseln „wirtschaftlich identisch“ mit denen sind, die vom BGH aufgehoben wurden, will die BaFin die betroffenen Versicherer über die Missstandsaufsicht zwingen, die vom BGH aufgestellten Grundsätze auch bei ihren Kunden anzuwenden, hieß es in den Finanzkreisen.

Zitat:

„Dies ist nicht auf unsere Verträge übertragbar“ – Swiss-Life-Sprecher –

Bild(er):

Druck nach Aquarell von Ruth Koser-Michaels zu Die Sterntaler der Gebrüder Grimm. Auf einen Geldsegen von oben dürfen jetzt auch die Versicherten hoffen – Interfoto, VÖB

www.ftd.de/bafin

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Die Auswirkungen der BGH-Urteile

Quelle: Financial Times Deutschland

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