Talanx plant Zukäufe im Ausland

Versicherungskonzern nimmt vor allem Europa ins Visier · Interview mit Vorstandschef Herbert Haas

Von Herbert Fromme, Köln Der Versicherungskonzern Talanx plant größere Übernahmen im europäischen Ausland. „Ein Mangel unserer momentanen Aufstellung ist die starke Betonung Deutschlands, wo 80 Prozent unseres Erstversicherungsgeschäfts herkommen“, sagte Konzernchef Herbert Haas im FTD-Interview. „Das bemängeln auch Analysten und Ratingagenturen.“ Außerdem stamme ein zu großer Anteil des Volumens aus der Autoversicherung.

Haas möchte den Anteil des deutschen Marktes am Talanx-Umsatz – ohne den Rückversicherer Hannover Rück – auf 55 Prozent bis 60 Prozent senken. Zur Zeit bietet der Hannoveraner Konzern für 50 Prozent plus Managementkontrolle der Versicherungsunternehmen des italienischen Bankhauses Monte dei Paschi di Siena. „Wir hoffen auf eine Entscheidung in den nächsten Wochen“, sagte Haas. Talanx könne auf die großen Erfahrungen mit Bancassurance verweisen – die Zusammenarbeit mit der Citibank und der Postbank läuft ausgezeichnet. Eine Niederlage im Bieterkampf würde Haas nicht traurig stimmen. „Es gibt noch andere Opportunitäten in Italien“, sagte er. Auch der französische Markt sei für Talanx attraktiv. Bei allen Ausbauplänen gehe es nicht um die Stärkung der Industrieversicherung – „dort steht das internationale Netz“ – sondern um einen Ausgleich für die hohe Exponierung in Deutschland.

Finanzieren will Haas Übernahmen durch eine vor Jahren ausgehandelte „sehr günstige“ Kreditlinie von 1,5 Mrd. Euro bei Banken. „Wir können in dem Rahmen kaufen, ohne unsere außerdem vorhandene Investitionskasse aufzugeben.“ Die Bankdarlehen könnten dann durch den lange geplanten Börsengang der Talanx zurückgezahlt werden.

„Der Börsengang kommt frühestens in zwei bis drei Jahren“, sagte Haas. Zunächst aber müsse Talanx eine größere Übernahme vorweisen können. „Die Anleger müssen wissen, wofür sie ihr Geld ausgeben.“ Außerdem müsse die Integration der 2006 übernommenen Gerling-Gruppe weit fortgeschritten sein. Sie verlaufe planmäßig. „Natürlich muss da noch viel getan werden.“

Bedeutende Fehler der Talanx-Führung bei der von vielen Gerling-Mitarbeitern scharf kritisierten Art der Fusion sieht er nicht. „Möglicherweise haben wir nicht transparent genug kommuniziert.“ Aber Geschwindigkeit sei bei Übernahmen entscheidend.

In der Lebensversicherung und der Vermögensverwaltung sieht der Talanx-Chef „große Fortschritte“ im Gesamtkonzern. „HDI Gerling Leben hat 2006 um 30 Prozent im Neugeschäft zugelegt.“ Bei den Großkunden in der Industrieversicherung werde es sicher einen gewissen Abrieb geben. „Die Frage ist, in welcher Größenordnung spielt sich das ab.“ Wenn Kunden die Anteile der jetzt kombinierten Versicherer HDI und Gerling an einem Vertrag von 80 Prozent auf 60 Prozent reduzierten, könne er das aus Kundensicht verstehen. Die Gruppe könne damit umgehen. „Schließlich sind 80 Prozent unseres Industriegeschäfts ohnehin rückversichert“, sagte er. „Natürlich brauchen auch diese Kunden unsere Versicherungskapazität.“

Unzufrieden ist Haas mit dem mangelnden Fortschritt bei Privatkunden. „Da haben wir Handlungsbedarf.“ Nach der Gerling-Übernahme hat Talanx zum ersten Mal auch einen Vertretervertrieb. „Wir sind jetzt gut aufgestellt auf der Vertriebsseite, jetzt müssen wir die Kraft auch auf die Schiene kriegen.“

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Talanx-Chef Herbert Haas übernahm den Posten im Juni 2006 vom heutigen Aufsichtsratschef Wolf-Dieter Baumgartl

Quelle: Financial Times Deutschland

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