Ein ungleicher Kampf

Niedergelassene Ärzte fürchten die Konkurrenz von Krankenhäusern und einen verzerrten Wettbewerb um ambulante Patienten

Von Ilse Schlingensiepen, Köln Die nahende Konkurrenz schürt Ängste. Im direkten Wettbewerb um ambulante Patienten treten niedergelassene Ärzte künftig verstärkt gegen Krankenhäuser an – und fürchten, in einem ungleichen Kampf zu verlieren. Denn für die Kliniken gelten nicht die gleichen Regeln wie für die Ärzte selbst.

Dabei ist der Wettbewerb durchaus gewollt. Die Gesundheitsreform erleichtert es den Kliniken, hoch spezialisierte ambulante Leistungen etwa in der Krebstherapie anzubieten und damit in Gebiete vorzudringen, die bisher den Praxisärzten vorbehalten waren. Anders als die Niedergelassenen unterliegen die Krankenhäuser dabei nicht den Restriktionen der Bedarfsplanung – und können die Leistungen nach Belieben anbieten. Für den Einstieg in die Behandlung ambulanter Patienten reicht ein Zulassungsantrag beim Land. „Meine Prognose ist, dass viele Krankenhäuser diesen Antrag stellen werden – und eine erhebliche Konkurrenz für Vertragsärzte entsteht“, sagt Udo Degener-Hencke, Referatsleiter im Bundesgesundheitsministerium.

In der Tat eröffnet sich für die Kliniken ein neuer Markt. Die Öffnung für ambulante Leistungen sei einer der wenigen positiven Punkte der Gesundheitsreform, sagt daher Karsten Gebhardt, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen. „Es ist sehr zu hoffen, dass die Länder die Möglichkeit nutzen, die Kliniken zur Erbringung ambulanter spezialärztlicher Leistungen in ausreichendem Umfang zu ermächtigen.“

Und genau davor fürchten sich die niedergelassenen Ärzte. Im Wettbewerb mit den Kliniken sehen sie sich benachteiligt. Denn sie bleiben weiter der Bedarfsplanung unterworfen, mit der Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen festlegen, wie viele Vertreter einer bestimmten Arztgruppe in einer Region für die Versorgung der Bevölkerung notwendig sind. Notfalls helfen Zulassungsbeschränkungen, die errechnete Quote zu halten. Man müsse nun genau beobachten, ob der Eintritt der Kliniken nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zulasten der Niedergelassenen führe, mahnt Degener-Hencke.

Dass es solche Verzerrungen geben wird, steht für Jörg-Andreas Rüggeberg außer Frage. „Es geht nicht, dass die Bedarfsplanung für nur einen Wettbewerber außer Kraft gesetzt wird“, kritisiert der Chirurg und Präsident der Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände. Die aktuellen Regelungen zur Öffnung der Kliniken für ambulante Leistungen zeigten, dass die Politik den niedergelassenen Fachärzten auf lange Sicht an den Kragen wolle. „Es ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, den niedergelassenen Fachärzten das Genick zu brechen“, klagt Rüggeberg.

Als Strategie gegen die neuen Konkurrenten im Markt empfiehlt er den Fachärzten, verstärkt kooperative Strukturen aufzubauen. Hier eröffne das neue Vertragsarztrechtsänderungsgesetz zum Glück neue Chancen. Danach können Niedergelassene seit Anfang des Jahres leichter Kollegen anstellen oder Filialpraxen gründen.

„Mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz können Niedergelassene ein unternehmerisches Gleichgewicht zu den Einflussmöglichkeiten von Krankenhäusern und Krankenkassen herstellen“, sagt auch der Arztrechtler Hans-Joachim Schade aus Wiesbaden. Für ein strategisch wirksames Mittel im Wettbewerb um die Patienten hält er die Gründung von Gemeinschaftspraxen gleicher Fachärzte, also etwa den Zusammenschluss von Orthopäden aus mehreren Stadtteilen. Solche Praxen hätten gute Chancen, sich als Partner von Kliniken und Krankenkassen zu positionieren, glaubt Schade. Zu viel Zeit lassen sollten sich die Niedergelassenen beim Aufbau neuer Strukturen aber nicht, empfiehlt er. Sonst ist der Markt verteilt.

„Wer jetzt in Tiefschlaf verharrt, hat verloren“, sagt auch der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Leonhard Hansen. Zwar erwartet Hansen nicht, dass jetzt alle Kliniken ambulante Angebote aufbauen. Dafür fehlten vielen sowohl die Finanz- als auch die Personalmittel. „Einige Häuser werden aber die Flucht nach vorn antreten, und dann wird ein verzerrter Wettbewerb entfacht.“

Zitat:

„Es entsteht eine erhebliche Konkurrenz für Vertragsärzte“ – Udo Degener-Hencke, Referatsleiter BMG –

Quelle: Financial Times Deutschland

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