Fusionsdruck bei Versicherern steigt

Gesetzesänderung belastet laut Finanzaufsicht die Branche · BaFin lobt Stabilität der Unternehmen

Von Herbert Fromme und Ute Göggelmann, Bonn Der Druck auf deutsche Versicherer zu Übernahmen und Fusionen könnte angesichts neuer rechtlicher Rahmenbedingungen stärker werden. Davon geht der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Jochen Sanio, aus. Seit dem Jahr 2000 sei die Zahl der Lebensversicherer um fast 20 Prozent zurückgegangen, „doch das geschah ohne großes Getöse“, so Sanio gestern bei der Jahrespressekonferenz der Behörde. „Der Konsolidierungsdruck könnte aber stärker werden, zum Beispiel durch die Einführung von garantierten Rückkaufswerten auch für bestehende Versicherungsverträge und die Beteiligung der Versicherten an den stillen Reserven.“

Beides ist im Entwurf für das neue Versicherungsvertragsgesetz vorgesehen, das zurzeit im Bundestag beraten wird. Rückkaufswerte sind die Summen, die ein Versicherer bei vorzeitiger Kündigung eines Lebensversicherungsvertrags an den Kunden zahlen muss.

Sanio sagte, die BaFin habe durch „intensive Gespräche“ die Lebensversicherer davon überzeugt, das Urteil des Bundesgerichtshofs zu Rückkaufswerten für Verträge von 1994 bis 2000 nach den vom Gericht aufgestellten Mindestanforderungen umzusetzen. Danach müssen die Versicherer Kunden, die damals vorzeitig gekündigt haben, Nachzahlungen leisten. Nur drei Unternehmen warteten noch den Ausgang eines Revisionsverfahrens ab, so Sanio.

Insgesamt konnten die deutschen Lebensversicherer ihre wirtschaftliche Lage im Jahr 2006 weiter deutlich stabilisieren. Bei den von der BaFin geforderten Stresstests, bei denen die Widerstandsfähigkeit einer Gesellschaft gegen Kapitalmarktrisiken gemessen wird, fiel kein Lebensversicherer durch. „Sie wären in der Lage, auch einen 35-prozentigen Rückgang der Aktienkurse zu verkraften“, sagte Sanio. „Nur ein stärkerer Rückgang wäre problematisch, und das auch nur für einzelne Unternehmen.“ Mit den Stresstests wird gemessen, ob Unternehmen bei fallenden Märkten ihre Verpflichtungen jederzeit erfüllen können.

Auch bei Krankenversicherern und Pensionskassen sei das Gesamtbild positiv, sagte Sanio. Allerdings gibt es einen privaten Krankenversicherer, der den Stresstest Anfang 2007 nicht bestanden hat. Im Vorjahr hatten alle bestanden. Den Namen der betroffenen Gesellschaft wollten Sanio und Versicherungs-Chefaufseher Thomas Steffen nicht nennen. Von den Pensionskassen haben sechs Gesellschaften den Stresstest nicht bestanden. Im Vorjahr waren es elf.

Bei der Einführung der neuen EU-weiten Eigenkapitalregeln, die unter dem Stichwort „Solvency II“ diskutiert werden, hänge der Zeitplan vor allem vom Ausmaß der politischen Diskussionen ab, sagte Steffen. Einen ersten Entwurf will die EU-Kommission im Juli vorlegen. EU-Parlament und Kommission wollten die entsprechende Richtlinie bis 2009 unter Dach und Fach haben, sagte er. Eigentlich sollten die Vorschriften nach Umsetzung in nationales Recht dann 2011 in Kraft treten, „nach dem neuesten Vorschlag wird es eher 2012“.

Finanzaufseher Sanio forderte erneut eine höhere Transparenz im Markt für Private Equity. Er bemängelte die Informationslücken, die es vorwiegend außerhalb Deutschlands im unregulierten Bereich gebe. „Hier können wir nicht sehen, welche Risiken in unseren Aufsichtsbereich überschwappen könnten“, sagte er. Die Finanzierungsstrategien der Gesellschaften könnten schnell unter Druck geraten und ein „Blutbad“ verursachen.

Das Anlagevolumen von Private-Equity-Firmen hat stark zugenommen, vielfach sind ihre Investitionen kreditfinanziert. Das Bundesfinanzministerium plant derzeit ein Gesetz, das Risiken durch Private-Equity-Investoren minimieren soll.

In der aktuellen Debatte um eine neue Aufteilung der Bankenaufsicht zwischen BaFin und Bundesbank verteidigte Sanio das bisherige System. Es habe sich insgesamt bewährt. Die Kritik über mögliche Doppelarbeiten von BaFin und Bundesbank, die von Teilen der Finanzinstitute und der Politik getragen wird, teile er nicht. Ende Mai wird sich der Finanzausschuss des Bundestags damit beschäftigen.

Zitat:

„Sie verkraften auch einen 35-prozentigen Rückgang der Aktienkurse“ – BaFin-Chef Jochen Sanio über die Lebensversicherer –

www.ftd.de/bafin

www.ftd.de/bafin

Finanzaufsicht im Fokus

Quelle: Financial Times Deutschland

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