Neue Bilanzregeln für Versicherer

Versicherer und Wirtschaftsprüfer sehen Diskussionsbedarf bei IFRS-Standard

Von Herbert Fromme, Köln Die deutsche Versicherungswirtschaft sieht „Gesprächsbedarf“ bei einzelnen Teilen der geplanten neuen internationalen Bilanzregeln, auch wenn sie die Vorschläge insgesamt begrüßt. Das sagte Axel Wehling, Geschäftsführer beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Am Donnerstag hat das International Accounting Standards Board (IASB) in London ein Diskussionspapier zum Standard für Versicherer veröffentlicht. Das IASB setzt den International Financial Reporting Standard (IFRS), an den sich Firmen weltweit halten. In Deutschland bilanzieren die meisten Versicherer noch nach dem Handelsgesetzbuch, IFRS gewinnt aber stark an Bedeutung.

Bisher gab es keine spezifischen Regeln, die den Besonderheiten der Assekuranz Rechnung trugen. „Deshalb sind Unternehmen, die bereits nach IFRS bilanzieren, für die Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen auf US-amerikanische Regeln übergegangen“, sagte Gerd Geib, Vorstand beim in der Branche führenden Wirtschaftsprüfer KPMG.

Allerdings verlangen die US-Regeln auch, dass Unternehmen an einmal gewählten Annahmen festhalten müssen, das sogenannte „lock in“. „Das führt dazu, dass nicht immer alle verfügbaren Kenntnisse am Bilanzstichtag berücksichtigt werden“, sagte KPMG-Experte Joachim Kölschbach. „Auch werden etwa die Schadenrückstellungen nicht abgezinst.“ Dadurch kommt es zu Diskrepanzen: Während die Kapitalanlagen eines Versicherers auf Zinsänderungen reagieren, ist das bei den Schadenreserven – die durch genau diese Kapitalanlagen abgedeckt werden – nicht der Fall. Das Resultat: große Schwankungen beim Eigenkapital.

Das soll sich jetzt ändern. „Nicht nur die Kapitalanlagen, sondern auch die versicherungstechnischen Rückstellungen sollen zum Zeitwert bewertet werden“, sagte Geib. Das reduziere die Volatilität. Die entscheidende Frage ist, wie der Zeitwert von Verpflichtungen eines Versicherers gegenüber Anspruchstellern gemessen wird – einen Markt gibt es dafür schließlich nicht. Das IASB hat das Konzept eines „Current Exit Value“ (aktueller Abtretungswert) vorgeschlagen. „Es wird gefragt, was ein Unternehmen dafür bezahlen müsste, dass ein drittes Unternehmen die Ansprüche und Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen übernimmt“, sagte Kölschbach. Weil es keinen Markt gibt, müssten dafür Annahmen und Modelle herhalten. „Dabei hat ein Unternehmen hohe Ermessensspielräume.“ Kölschbach tritt für saubere Regeln ein, um hier Willkür zu vermeiden.

Wehling vom GDV ist sich nicht sicher, ob der „Exit Value“ überhaupt geeignet ist. „Es zeichnet sich Gesprächsbedarf ab, ob sich mit dieser Methode für die Mehrzahl der Versicherungsverträge die wirtschaftliche Realität zutreffend bilanziell abbilden lässt“, sagte er.

KPMG-Vorstand Geib hält einen „Exit Value“ nur dann für akzeptabel, wenn er auch auf andere Dienstleistungsverträge und Transaktionen angewendet wird. „Die Versicherungswirtschaft weist zu Recht darauf hin, dass ihre Haupttätigkeit eine zeitraumbezogene Leistung ist. Insbesondere die Versicherungs- und Stornorisiken bauen sich erst im Zeitablauf ab.“

Zitat:

„Es zeichnet sich Gesprächsbedarf ab“ – Axel Wehling, GDV –

Quelle: Financial Times Deutschland

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