Pflegebeitrag soll drastisch steigen

Versicherungsmathematiker für Kombination von Kapitaldeckung und Umlage

Von Herbert Fromme, Dresden Experten der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) fordern eine Anhebung des Beitrags zur gesetzlichen Pflegeversicherung um 0,6 bis 1,7 Prozentpunkte, um das System angesichts des demografischen Wandels krisenfest zu machen. Zurzeit zahlen Versicherte und Arbeitgeber zusammen 1,7 Prozent, ab Juli 1,95 Prozent. Kinderlose zahlen allein weitere 0,25 Prozent.

Der zusätzliche Beitrag soll dann in einem Sondervermögen verzinst angelegt werden. „Die demografische Veränderung und die damit einhergehende Leistungserhöhung würde so kollektiv durch Kapitaldeckung aufgefangen“, sagte Roland Weber, Mitglied der DAV-Expertengruppe und Vorstand der Debeka-Versicherungen in Koblenz. Wenn nur die unter 65-Jährigen so abgedeckt würden, reichten 0,6 Prozentpunkte als Erhöhung, sonst wären es 1,7 Prozentpunkte, sagte er. Damit würden jährlich zwischen 11 Mrd. Euro und 31 Mrd.Euro in das Sondervermögen fließen. Per Grundgesetzänderung solle die Koalition sicherstellen, dass diese Mittel für keine anderen Zwecke als die Pflegeversicherung verwendet werden dürfen.

In der Aktuarvereinigung haben sich 3000 Versicherungsmathematiker zusammengeschlossen. Die selbstbewusste DAV tritt zunehmend unabhängiger von den Versicherungsunternehmen und deren Verbänden auf und gilt als einflussreiche Expertenvereinigung.

Mit dem Vorschlag sprechen sich die Aktuare gegen Pläne von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und Teilen der SPD aus, die Probleme der gesetzlichen Pflegekassen durch einen Finanztransfer von bis zu 1,4 Mrd. Euro im Jahr aus der privaten Pflegeversicherung zu lösen. Damit reagieren sie darauf, dass in der privaten Pflegeversicherung mehr junge und gesunde Menschen versichert sind. „Das trifft ohnehin nur auf die Nichtbeamten in der privaten Pflegeversicherung zu“, sagte Weber. Die Beamten machten aber die Hälfte der Mitglieder aus. Bei den Nichtbeamten habe in der Tat die bis 1989 bestehende Möglichkeit, bei Eintritt des Rentenalters aus der privaten Krankenversicherung (PKV) in die gesetzliche zu wechseln, einen deutlich jüngeren Bestand geschaffen. „Aber das wächst sich aus und ist in 15 Jahren vorbei.“ Allenfalls ein Risikoausgleich berechnet auf den durchschnittlichen Pro-Kopf-Schaden sei denkbar, der würde aber 250 Mio. Euro pro Jahr nicht überschreiten, sei also keine Lösung für die gesetzlichen Pflegekassen, sagte Weber.

Der Plan der Aktuare richtet sich aber auch gegen einen Vorschlag zur individuellen Absicherung des demografischen Risikos in der Pflegeversicherung, der vom PKV-Verband erarbeitet und vom Land Bayern aufgegriffen wurde. Danach sollen alle Versicherten über einen Zusatzbeitrag von 6 Euro im Monat das eigene Risiko auffangen. „Bei diesem Plan würden erhebliche organisatorische Schwierigkeiten sowie hohe Kosten auftreten“, sagte Weber, der den Plan selbst mit entwickelt hat. Es stelle sich jetzt heraus, dass die Kosten für viele Jahre die angesparten Gelder überschreiten würden.

Quelle: Financial Times Deutschland

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