Alte Kulisse, neues Drama

Die Dresdner Bank kommt nicht zur Ruhe. Unter Hochdruck arbeitet die Konzernmutter Allianz an der Aufspaltung des Traditionsinstituts. Die Hauptrolle dabei spielt ausgerechnet der Mann, der bislang die Integration der Sparten vorangetrieben hat: Vorstandschef Herbert Walter

Herbert Walter hat sich wieder eingebunkert. Mit Andree Moschner, der ihm schon Anfang der 90er-Jahre in der Filiale der Deutschen Bank in Bochum zur Seite stand. Seinem Adlatus, den er 2006 in den Vorstand der Dresdner Bank nachholte.

Stunde um Stunde sitzen der Dresdner-Bank-Chef Walter und sein Weggefährte im riesigen Chefbüro der Allianz-Tochter – und grübeln über das spektakulärste Projekt der deutschen Finanzwirtschaft seit Jahren: der Aufspaltung der Dresdner in einen Teil für Privat- und Kleingeschäftskunden und eine Investmentbank für Konzernkunden.

Die Zeit drängt. Spätestens Ende August, so lautet die Vorgabe der Münchner Mutter, muss die Sache fertig sein. Nur so lange können beide Teilbetriebe noch die Zahlen aus 2007 als Bewertungsbasis für die Trennung nehmen. Reißt Walter die Deadline, muss die Allianz lange Monate auf den Geschäftsbericht 2008 warten. Und dann wäre der Konzern möglicherweise zu spät dran bei der Neuordnung des deutschen Privatkundengeschäfts.

Das atemberaubende Tempo, mit dem die Allianz-Granden die schwächelnde Bank zerlegen, zeigt: Sie glauben, dass sie nur eine Chance haben, wenn sie früh losschlagen. Schließlich stehen auch die anderen deutschen Großbanken vor einem Umbruch. So liebäugelt der Bund mit dem Verkauf der Postbank. Die Citigroup spielt mit dem Gedanken, ihre deutsche Privatkundentochter Citibank loszuschlagen. Die Commerzbank bekommt mit Martin Blessing einen umtriebigen neuen Vorstandsvorsitzenden, der seit Langem auf eine Gelegenheit zum Handeln wartet und angeblich die Postbank ins Auge gefasst hat. Und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann befindet sich im Herbst seiner Amtszeit – die er, anders als verlautbart, gern mit einem ganz großen Wurf beenden würde.

Die Allianz, das hat Konzernchef Michael Diekmann erkannt, muss sich sputen, um die Dresdner Bank in Stellung zu bringen. Denn die Münchner sind sich sicher: Bald wird etwas passieren.

Dass ausgerechnet Herbert Walter Schlüsselfigur des Umbaus ist, trägt fast schon tragische Züge. Steht der inzwischen 54-jährige Bayer doch wie kein Zweiter für die vielen mäßig geglückten Versuche der Großbanken, gegen die übermächtigen Sparkassen und Volksbanken ein renditeträchtiges Privatkundengeschäft aufzuziehen.

Schon Ende der 90er-Jahre bildet Walter zusammen mit Moschner und dem heutigen Commerzbank-Privatkundenchef Achim Kassow das Kernteam des Projekts Deutsche Bank 24. Über Telefon und Internet, flankiert von 1500 mobilen Beratern und 800 sogenannten Finanz- und Investmentcentern, will Deutschlands einziges Geldhaus von Weltgeltung das nationale Privatkundengeschäft revolutionieren. Der akribische Arbeiter Walter wird 1999 Chef der Tochter, das Projekt hat erste Erfolge. Doch Ackermann fehlt der Glaube – er kassiert es ein.

Walter zieht Anfang 2003 weiter zur Dresdner Bank und macht nun „ganzheitliches Banking“, wie er es nennt: Er wird Chef des damals noch zweitgrößten deutschen Geldinstituts. Doch schnell wird klar: Sein Handlungsspielraum ist beengt. Walter muss die einst so stolze Bank, welche die Allianz 2001 für fast 24 Mrd. Euro gekauft hat, zum Vertriebsvehikel für den Allfinanzkonzern umbauen. Und Kosten senken. Also streicht Walter jahrelang Stellen, Ende 2007 ist er bei 26 309 angekommen. Trotzdem bricht der Gewinn der Bank ein: Die Subprime-Krise hat die Dresdner voll erwischt.

Das Privatkundengeschäft hat Walter in den vergangenen Jahren aufwendig mit der traditionell auf Eigenständigkeit bedachten Investmentbank Dresdner Kleinwort verzahnt. Jetzt macht er die Rolle rückwärts. Das ist nicht seine Idee, sondern die der Allianz-Führung: eine Direktive Diekmanns und seines Finanzvorstands Paul Achleitner. „Aber Walter“, sagt einer, der die Verhältnisse kennt, „hat sich gleich an die Spitze der Bewegung gesetzt.“

Jetzt hat er wieder etwas zum Tüfteln. Ein Projekt, bei dem es auf die feinen Details ankommt. „Die Dresdner auseinanderzunehmen ist fisselige Kleinarbeit. Das kann Walter“, sagt einer, der noch bei der Deutschen Bank mit ihm zusammengearbeitet hat. Strategische Großentwürfe sind hingegen nicht Walters Metier. Als er auf einer Konferenz gefragt wird, wie die deutsche Privatbankenlandschaft und vor allem die Dresdner in einigen Jahren aussehen werde, zuckt er zurück: „Die Frage ist mir zu konkret.“

Um die Hauruckspaltung der Bank zur Zufriedenheit der Allianz-Chefs auszuführen, riskiert Walter gar den Bruch mit seinem eigenen Vorstand. Wie üblich vertraut er auf die Hilfe von Topberatern: McKinsey und Boston Consulting Group. Dazu kommt noch sein alter Kompagnon Moschner.

Die jüngeren Mitvorstände wie Finanzchef Klaus Rosenfeld, der oberste Privatkundenvertriebler Andreas Georgi und der fürs operative Geschäft zuständige Franz Herrlein bleiben hingegen außen vor – und sind ob des kargen Informationsflusses mehr als irritiert. Über die Pläne ihrer Konzernmutter mit der Dresdner erfahren sie so gut wie gar nichts: Walter hat die Korrespondenz mit Achleitner monopolisiert. Als die Allianz Ende April weitere, peinliche Wertberichtigungen bei der Dresdner verkündet, hören die Topbanker das ebenso früh wie der Rest der Welt. Wer ihnen nun einen adäquaten Job in einem anderen Institut anbiete, treffe bei ihnen auf offene Ohren, heißt es.

Fragen die Mitvorstände nach ihrer persönlichen Zukunft in der Dresdner, bekommen sie wolkige Antworten: Ein leitender Posten in einer der beiden operativen Töchter sei drin, möglicherweise auch ein Vorstandsposten in der Holding, die über dem neuen Gebilde schweben könnte. Dass die Finanzaufsicht BaFin solche Doppelfunktionen ungern sieht, lässt die Spitzenbanker nur noch skeptischer werden. Ebenso wie die jüngste Personalie: Die Allianz setzt ihren Risikochef Thomas Wilson in derselben Position bei der Dresdner Bank ein. Dies gilt als klares Zeichen, dass der Münchner Konzern das Institut an noch kürzerer Leine halten will.

Walter selbst behauptet, der gesamte Vorstand sei in den Ausgliederungsprozess eingebunden: „Jedes Vorstandsmitglied betreut in seinem Ressort eigene Projekte.“ Zudem habe Finanzchef Klaus Rosenfeld den Dresdner-Vorstand bereits vor zwei Wochen über die Abschreibungen informiert.

Manche Führungskräfte sorgen sich um die operative Stabilität der Bank. Nach der Aufspaltung müssen beide Teile eigene IT und eigene Kapitalausstattung besitzen – von Kleinkram wie getrennten Räumen und Schildern ganz zu schweigen. Zudem muss die Dresdner Bank der BaFin belegen, dass beide Institute für sich funktionsfähig sind und bestimmte Anforderungen an Eigenkapital und Risikomanagement erfüllen. Zu guter Letzt müssen beide Banken dem gesetzlichen Einlagensicherungsfonds beitreten.

Nach außen vermittelt die Bank den Eindruck von business as usual. Erst gestern startete sie das neue Privatkundenangebot Dresdner Bank Direct 24. Vergangene Woche rief sie eine neue Mittelstandsoffensive aus. Weder Firmen- noch Privatkunden würden von den Spekulationen um die Zukunft des Instituts abgeschreckt, heißt es offiziell.

Walter zufolge werden das inländische Privat- und Firmenkundengeschäft zunächst in eine eigene AG ausgegliedert. Anfangs soll der Konzern mitsamt dieser Tochter zusammengehalten werden. Irgendwann könnten Privat- und Firmenkundengeschäft einerseits und Investmentbanking andererseits auch in zwei Schwestergesellschaften gegliedert werden. Entschieden sei aber noch nichts: „Wir konzentrieren uns derzeit auf den ersten Schritt.“

Während Walter an den Feinheiten feilt, sondiert die Allianz-Spitze um Diekmann den Markt. „Es finden Gespräche statt. Schnellschüsse wird es aber nicht geben“, heißt es aus der Konzernspitze. Für Dresdner Kleinwort soll es schon seit Jahren Kaufinteressenten geben. Mal war von Société Générale die Rede, mal von BNP Paribas, zuletzt von der russischen Sberbank. Zurzeit läuft die Diskussion in die Richtung, die Mehrheit abzugeben, um das risikoreiche Geschäft nicht mehr konsolidieren zu müssen, zugleich aber weiter von der Expertise zu profitieren und dem Käufer eine feste Geschäftsbeziehung mit dem Milliardenkonzern Allianz zu garantieren.

Auch beim Privatkundengeschäft hat die Dresdner Bank noch keine klare Marschroute. Zwar gibt es vage Hoffnungen, dass die schweren Belastungen aus der Finanzkrise die Politiker animieren, Landesbanken und Sparkassen für private Investoren zu öffnen. Naheliegender ist aber ein Einstieg bei der Postbank: Sollte die Post ihre Mehrheit von 50 Prozent plus einer Aktie tatsächlich losschlagen, ist die Allianz einer der Favoriten der Bundesregierung als möglicher Käufer. Vielleicht bekäme das gemeinsame Gebilde dann auch gleich einen neuen Marktauftritt, für den es schon seit Jahren in München eine Blaupause gibt: die Allianz-Bank.

Parallel dazu diskutiert Diekmann aber auch mit Josef Ackermann, ob sich die Privatkundeneinheiten der beiden Institute nicht zusammenlegen lassen. Schließlich hat die Deutsche Bank die Ausgliederung ihres Massengeschäfts in eine eigenständige AG schon längst hinter sich. „Eine Fusion wäre nach der Aufspaltung der Dresdner ein Leichtes“, schätzt ein Beobachter.

Und dann hätte auch Herbert Walter eine neue Perspektive. Schließlich kennt niemand diese beiden Häuser so gut wie er. Dann könnte er sich wieder um die Details kümmern.

www.ftd.de/Bank

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Umbruch im Privatkundengeschäft

Quelle: Financial Times Deutschland

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