Versicherer sortieren Kunden aus

Neues Zulassungsverfahren ermöglicht Anbietern von Kfz-Policen Bonitätsprüfung

VON Patrick Hagen, Köln Autoversicherer nutzen die neue elektronische Versicherungsbestätigung, um missliebige Kunden auszusortieren. Bevor sie die vorläufige Deckung für die Fahrzeugzulassung erteilen, prüfen einige Gesellschaften die finanzielle Situation der Interessenten. „Wir haben eine Bonitätsprüfung für uns unbekannte Kunden eingeführt“, sagte eine Sprecherin des Kölner Versicherers Gothaer und bestätigte damit Informationen der FTD.

Seit dem 1. März vergibt die Versicherungswirtschaft die elektronische Versicherungsbestätigung bei der Kfz-Zulassung. Früher hatte der Kunde mit der sogenannten Doppelkarte belegt, dass er eine Haftpflichtdeckung besitzt. Jetzt geschieht das über eine siebenstellige Nummer. Über diesen Code greifen die Mitarbeiter in den Zulassungsstellen auf einen Datensatz bei einer Tochterfirma des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu. Der Nummer sind persönliche Daten wie Name und Adresse zugeordnet. Die alte Deckungskarte wurde dagegen meist blanko ausgegeben.

Neukunden, die über das Internet eine Deckungsbestätigung beantragen, müssen sich damit bereit erklären, dass das Unternehmen ihre Zahlungsfähigkeit kontrollieren lässt. Es bekomme aber jeder Interessierte ein Angebot, sagte die Gothaer-Sprecherin. Auch andere Versicherer wie die Signal Iduna aus Dortmund oder die Basler mit Sitz in Bad Homburg haben die Bonitätsprüfung vor Vertragsschluss eingeführt.

Die Kfz-Haftpflichtdeckung ist eine Pflichtversicherung, deshalb dürfen die Versicherer keine Kunden ablehnen. Den Anbietern hilft aber, dass die überwiegende Zahl der Kunden auch eine Kasko-Police abschließen will – dort müssen sie nicht jeden Kunden annehmen. Wer bei der Bonitätsprüfung durchfällt, bekommt keine Kasko-Police.

Die Branche steht derzeit unter Druck, denn der Wettbewerb in der Kfz-Versicherung ist hart: Jedes Jahr melden Kunden in Deutschland mehr als elf Millionen Fahrzeuge um oder neu an. Die Risikoauswahl ist ein wichtiges Mittel, um Kosten und Schäden zu reduzieren. Die Versicherer wollen sogenannte schlechte Risiken von vornherein fernhalten.

Versicherer nutzen das neue Verfahren jetzt, um unerwünschte Kunden frühzeitig auszusortieren. „Den Versicherern eröffnet sich erstmals die Möglichkeit, vor Gewährung des Versicherungsschutzes eine Risikoprüfung vorzunehmen“, sagt Wolfgang Hübner, Geschäftsführer der Bertelsmann-Tochter Informa Unternehmensberatung, deren Schwestergesellschaft Infoscore Consumer Data Bonitätsprüfungen für Versicherungen übernimmt.

Die Gesellschaften wollen auf diese Weise verhindern, dass zahlungsunfähige Kunden ihre Prämie nicht zahlen. „Versicherer, die das Verfahren nicht nutzen, werden über kurz oder lang mit einem recht minderwertigen Bestand aufwarten können“, schreibt der Dortmunder Versicherungskonzern Signal Iduna in einer Mitteilung an seine Vermittler. Versicherungsmakler sehen das Verfahren kritisch. „Wir möchten, dass die Versicherer die Kunden aufklären und sicherstellen, dass das Verfahren mit den Datenschutzklauseln zu vereinbaren ist“, sagt Hans-Georg Jenssen, geschäftsführender Vorstand beim Verband deutscher Versicherungsmakler.

Die Bonitätsprüfung wird von spezialisierten Unternehmen vorgenommen. Sie prüfen, ob der Kunde Schulden hat oder zahlungsunfähig ist. „Die Informationen stammen alle aus öffentlichen Verzeichnissen“, sagte die Gothaer-Sprecherin.

Es werde kein Scoring-Verfahren eingesetzt – sprich, es werden keine weiteren Informationen etwa über den Wohnort einbezogen. Auch gebe es keine Weitergabe an das Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft, in dem die Branche unter anderem auffällige Schadenmeldungen speichert. Basler und Gothaer kontrollieren die Zahlungsfähigkeit nur bei Neukunden, Signal Iduna prüft auch bereits bekannte Kunden. Allianz, der Marktführer in der Kfz-Versicherung, hat keine Kontrolle der Bonität vor Vergabe der Deckungsnummer eingeführt.

Thorsten Rudnik von der Verbraucherschutzorganisation Bund der Versicherten sieht es kritisch, dass sich Versicherer ihre Kunden immer genauer anschauen. „Die Gefahr dabei ist, dass manche Leute irgendwann gar keinen Versicherungsschutz mehr bekommen.“

Der GDV betont, dass die eigentliche Erzeugung der elektronischen Versicherungsbestätigung nichts mit der Bonitätsprüfung zu tun habe. „Das sind zwei völlig getrennte Dinge“, sagte ein Sprecher. „Ob Versicherer eine Bonitätsprüfung durchführen, ist eine rein unternehmerische Entscheidung.“

Bild(er):

Filmszene aus „Manta Manta“: Schwer vorstellbar, dass Til Schweiger (r.) die Risikoauswahl der Versicherer überstanden hätte – Cinetext

Quelle: Financial Times Deutschland

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