Die großen Risiken selbst schultern

Viele Firmen kaufen Deckungen bei Tochterunternehmen. Neue Vorschriften zumEigenkapital in der Europäischen Union machen diesen Captives das Leben schwer

VON Friederike Krieger

Ob geringere Versicherungsprämien oder Steuerersparnisse – firmeneigene Versicherungsgesellschaften bieten einem Unternehmen viele Vorteile. Die neuen Eigenkapitalregeln der EU bedrohen allerdings die finanzielle Basis der Gesellschaften.

Rund 40 Prozent der größeren deutschen Unternehmen haben eine oder mehrere Versicherungstöchter, auch Captives genannt. Dabei versichert ein Konzern sich selbst. Das macht Sinn, weil er durch den Aufbau von Reserven über mehrere Jahre steuergünstig vorsorgen kann.

Captives sind eng mit den firmenverbundenen Vermittlern verzahnt. „Vermittlergesellschaft und Captive werden oft von den gleichen Personen gemanagt“, erklärt Hans-Otto Geiger, Vorstand des Bundesverbands firmenverbundener Versicherungsvermittler und -gesellschaften. Die konzerneigenen Makler analysieren die Situation auf dem Versicherungsmarkt und transferieren Risiken an die Captives, wenn dies günstig erscheint.

„Oft betrachten Firmen Captives als Mittel für schwere Zeiten“, erklärt Geiger. Viele Unternehmen haben sich Versicherungstöchter zugelegt, als die Preise in der Industrieversicherung hoch waren. Dadurch, dass die Captives einen Teil der Risiken aus den Bereichen Betriebsunterbrechung, Sachschaden, Transport und Haftpflicht übernahmen, verbilligten sich die Prämien.

Seit Längerem fallen die Preise in der Industrieversicherung. „Erhöhte Selbstbehalte bringen nur sehr begrenzte Prämienrabatte“, sagt Markus Mende, Managing Director von Aon Global Risk Consulting. Die neu gegründete Abteilung des Versicherungsmaklers unterstützt die Konzerne beim Management ihrer Versicherungstöchter. Viele Captives haben damit begonnen, die Haftpflicht- und Sachversicherung herunterzufahren. „Dafür übernehmen sie andere Risiken, zum Beispiel aus dem Bereich der betrieblichen Altersvorsorge und der Kreditversicherung“, sagt Mende. Nach seiner Erfahrung finden sich auch immer mehr sonst nicht versicherbare Risiken im Portfolio der Captives. Für Automobil- und Nahrungsmittelkonzerne ist es zum Beispiel sehr schwierig, eine Deckung für Rückrufaktionen im Markt zu finden.

Aon Global Risk Consulting hilft den Captives bei Anpassungen der Portfolios. Menke sieht sich dabei als Partner der firmengebundenen Vermittler. „Die Hilfe eines externen Captive Managers ist zum Beispiel nötig, wenn die Versicherungstochter in einem Land weit entfernt von der Konzernmutter sitzt“, erklärt er. Ein großer Teil der Captives ist im Steuerparadies Bermuda ansässig. Viele Versicherungstöchter zieht es aber inzwischen näher zur Konzernmutter. „Vor allem europäische Captives bevorzugen inzwischen die geografische Nähe zur Firmenzentrale“, sagt er. Die meisten deutschen konzerneigenen Versicherer haben sich in Luxemburg und Irland niedergelassen. Der Grund: Die Vorteile, die Bermuda den Captives bietet, schwinden. So betrachtet der Fiskus Versicherungstöchter in Bermuda oft als passive Gesellschaften und verlangt, den Differenzbetrag zum deutschen Steuersatz zu zahlen. Außerdem kann eine Captive von Bermuda aus nicht direkt in der EU Risiken zeichnen, sondern muss zusätzlich einen anderen Versicherer einschalten.

Der EU-Standort bringt aber auch Nachteile. Solvency II, die geplante neue Richtlinie der Europäischen Union, verlangt von Versicherern wie auch konzerneigenen Versicherungstöchtern, mehr Eigenkapital vorzuhalten. „Das ist eine unnötige finanzielle Belastung für die Captives“, erklärt Edwin Meyer, General Manager Risk and Insurance Management bei ArcelorMittal. Der Stahlkonzern verfügt über zwei Versicherungstöchter. Je höher die Kapitalanforderungen sind, desto schwieriger sei es, eine Captive gegenüber der Konzernleitung zu rechtfertigen. Vor allem kleinere Versicherungstöchter könnten in Finanzierungsnöte geraten. „Captives und Versicherer sollten nicht über einen Kamm geschoren werden“, sagt Meyer. Industrieversicherer haben zahlreiche Kunden. „Wenn eine Captive sich finanziell übernimmt, gibt es meist nur einen Geschädigten: den Konzern selbst“, erklärt Meyer. Captives, die Drittgeschäft zeichnen, sind die Ausnahme.

Quelle: Financial Times Deutschland

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