Gesundheitsreform macht Vertrieben das Leben schwer

Viele Kunden sind verunsichert und brauchen mehr Beratung vor dem Abschlusseiner Krankenpolice. Die Zielgruppe schrumpft stark

Von Ilse Schlingensiepen

Den privaten Krankenversicherern (PKV) bringen die Einfirmenvertreter das meiste Geschäft. Ihre Bedeutung nimmt allerdings etwas ab, während die unabhängigen Vermittler aufholen. Das zeigt eine Untersuchung von Towers Perrin.

Nach der Umfrage des Unternehmens kam 2006 genau die Hälfte des PKV-Neugeschäfts über den Ausschließlichkeitsvertrieb, im Jahr zuvor waren es noch 57 Prozent. Der Anteil der unabhängigen Vermittler stieg von 31 Prozent auf 34 Prozent und erreichte damit eine ähnliche Bedeutung wie in der Lebensversicherung. „Da die Vielzahl und Komplexität der Krankenversicherungstarife steigt, wächst auch der Bedarf nach unabhängiger Beratung. Dies betrifft vor allem die Krankenvollversicherung“, sagt Heijo Hauser, Managing Director bei Towers Perrin.

Gerade in der Krankenvollversicherung, die mit 72 Prozent der Beitragseinnahmen das wichtigste Geschäftsfeld der PKV ist, wird der Verkauf immer schwieriger, sagt der Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) Michael Heinz. „Durch die nicht enden wollenden Gesundheitsreformen gibt es eine große Verunsicherung im Markt“, berichtet er. Die Kunden hätten einen gestiegenen Beratungsbedarf, auch über die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Den zusätzlichen Aufwand bekommen die Vertriebe aber nicht bezahlt. Die Politik hat die Versicherungspflichtgrenze – das Einkommen, ab dem Angestellte in die PKV wechseln können – in den vergangenen Jahren deutlich angehoben. Zudem müssen sie jetzt drei Jahre diese Voraussetzung erfüllen. Das verkleinert den Personenkreis, der für eine Vollversicherung infrage kommt. Viele Vermittler versuchen deshalb, PKV-Kunden von einem zum anderen Anbieter abzuwerben.

Eine Reihe von Vertrieben konzentriert sich inzwischen lieber auf andere Sparten, sagt Heinz. „Es ist wesentlich interessanter, sich um das Thema steuergeförderte private Altersvorsorge zu kümmern.“

Gerhard Frieg, Vorstand des Finanzvertriebs MLP, sieht langfristig eine positivere Perspektive. Zwar verspürt auch MLP eine starke Verunsicherung und einen gestiegenen Erklärungsbedarf der Kunden. Das sei gerade die Herausforderung, sagt er. Vor allem wegen der Einführung der Dreijahresfrist gab es im ersten Halbjahr einen Einbruch in der Nachfrage, berichtet Frieg.

Die anstehenden Änderungen in der PKV verunsichern die Kunden. Ab 1. Januar 2009 müssen alle PKV-Unternehmen einen Basistarif anbieten, der gedeckelte Prämien hat und den Leistungen der GKV entspricht. Außerdem wird der Wechsel innerhalb der PKV leichter, weil Kunden künftig einen Teil der Alterungsrückstellungen mitnehmen können. Beides treibt die Prämien nach oben.

„Wir spüren jetzt wieder einen deutlichen Nachfrageanstieg“, sagt Frieg. Viele wollen noch abschließen, bevor es teurer wird. Außerdem steht der künftige einheitliche Beitragssatz von 15,5 Prozent in der GKV fest. „Zu Recht stellen sich viele die Frage, ob die Einheitsversicherung funktioniert“, sagt der MLP-Vorstand. Der GKV-Schutz werde zudem für viele merklich teurer. Frieg rechnet damit, dass MLP den Einbruch bei den PKV-Policen bis zum Jahresende wieder wettmachen kann. „Ich glaube, dass im ersten Halbjahr 2009 noch mal ein weiterer Nachfrageschub möglich ist, wenn Angestellte mit höheren Einkommen ihre ersten Gehaltsabrechnungen mit den neuen Abzügen in der Hand halten.“

Quelle: Financial Times Deutschland

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