Bei Entführung Geld

Mit speziellen Lösegeldversicherungen können Unternehmen ihre Manager gegenKidnappings bei Auslandsreisen schützen

VON Friederike Krieger

Der deutsche Bauingenieur Rudolf Blechschmidt und sein Mitarbeiter Rüdiger Diedrich wollten Mitte 2007 einen Staudamm in Afghanistan begutachten, um dessen Reparatur sie sich beworben hatten. Doch dazu kam es nicht, an dem Bauwerk nahmen die Taliban sie gefangen. In den folgenden Wochen erschossen die Geiselnehmer Diedrich. Die erste Lösegeldübergabe für Blechschmidt scheiterte. Erst nach knapp drei Monaten kam er wieder frei.

Solche Entführungsfälle könnten sich – auch in der Dramatik – in Zukunft häufen. Zwar geht die Zahl der gekidnappten Deutschen seit Jahren zurück (siehe Grafik unten), doch die Krise steigert den Wagemut der Unternehmen. „Die Bereitschaft steigt, in Risikoregionen aktiv zu werden, weil die Firmen im heimischen Umfeld nicht genügend Aufträge bekommen“, sagt Walfried Sauer, Chef des Risikoberaters Result Group. Vor allem der Irak und Afghanistan locken wegen der hohen Subventionen. Versicherer wie Hiscox, Chubb, AIG und HDI-Gerling umwerben Firmen deshalb mit speziellen Lösegeldpolicen, sogenannten Kidnapping & Ransom-Policen (K&R).

„Der Schwerpunkt bei den K&R-Versicherungen liegt nicht auf der Lösegeldzahlung, sondern auf Prävention und Krisenmanagement“, sagt Peter Geppert, Leiter Special Lines bei HDI-Gerling. Im Ernstfall müssen die versicherten Firmen das Lösegeld zunächst vorstrecken. In erster Linie bezahlt HDI-Gerling einen Krisenberater. Der soll verhindern, dass es zu einer Entführung kommt, indem er Reisende und Unternehmen schult.

HDI-Gerling arbeitet dabei mit der Result Group zusammen. Die Gesellschaft organisiert Trainings für Führungskräfte, die ins Ausland reisen müssen. Die Fachleute geben Tipps, wie sich die Manager kleiden sollten, um nicht aufzufallen, welche Hotels, Fortbewegungsmittel oder Plätze sie meiden sollten. „Es geht darum, die Wahrnehmung der Manager in Bezug auf mögliche Gefahren zu schärfen“, sagt Sauer. Die Result Group probt mit den Managern auch, wie diese sich bei einer Entführung am besten verhalten. „Es ist wichtig, höflich zu bleiben und ein Vertrauensverhältnis zu den Entführern aufzubauen“, erklärt er. Haben sie zu ihrem Opfer eine Beziehung aufgebaut, fällt es den Kidnappern schwerer, die Geisel zu töten.

Die Krisenberater helfen auch den Unternehmen, Notfallpläne für den Ernstfall zu erstellen. Firmen sollten beispielsweise wissen, in welchen Ländern sie gefahrlos mit der Polizei zusammenarbeiten können. „Vor allem in Südamerika und Asien gibt es viel Korruption“, sagt Sauer. So ist in Brasilien der Leiter einer Entführungs-Taskforce festgenommen worden, weil er selbst in einen der Fälle verstrickt war. Auch Ingenieur Blechschmidt vermutet, dass die afghanische Polizei ihn an die Taliban verraten hat.

Ist ein Manager gekidnappt worden, helfen die Krisenberater bei den Lösegeldverhandlungen. Sie prüfen, ob das Opfer noch am Leben ist. „Mit dem potenziellen Entführungsopfer wird im Vorfeld eine Kontrollfrage vereinbart, deren korrekte Beantwortung gilt dann als Lebensbeweis“, sagt Geppert. Der Versicherer übernimmt auch die Kosten für die psychologische Betreuung des Opfers und seiner Familie sowie deren Reisekosten.

„Ob sich eine Lösegeldversicherung lohnt, muss jedes Unternehmen nach Risikobewertung selbst für sich entscheiden“, sagt Berthold Stoppelkamp von der Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft. Wenn eine Firma eine Police abschließen möchte, sollte sie nicht nur Topmanager versichern, sondern auch Monteure. „Von der Prämie her macht es kaum einen Unterschied, ob eine Firma nur fünf Vorstände oder alle Mitarbeiter versichert“, sagt Stefan Wolfert, Chef des Versicherungsmaklers Südvers. Die Policen seien recht preiswert, weil die Schäden der Versicherer gering sind. „Die Krisenberater drücken die Lösegeldsumme in den Verhandlungen oft stark“, sagt er. Eine Police für 8000 Mitarbeiter mit einer Deckung von 10 Mio. Euro sei für rund 13 000 Euro Jahresprämie zu haben.

Firmen müssen auch darauf achten, dass der Krisenberater, mit dem der Versicherer kooperiert über viel Erfahrung verfügt. „Die Police sollte im Jahr mindestens drei Tage Intensivtraining beim Risikomanager abdecken“, sagt Wolfert. Von Verträgen mit einem sogenannten Jahresaggregat rät er ab. Dabei bezieht sich die Versicherungssumme auf das Jahr und nicht auf den konkreten Entführungsfall. Sollten besonders viele Mitarbeiter gekidnappt werden, besteht die Gefahr, dass kein Geld mehr da ist.

Unternehmen müssen auch darauf achten, dass die Entführung aller Verkehrsmittel abgedeckt ist. „Manche Versicherer leisten nur, wenn Auto oder Flugzeug entführt werden, nicht aber bei Zügen oder Schiffen“, erklärt Wolfert. Viele Gesellschaften schließen Hochrisikoländer wie den Irak und Afghanistan aus der Deckung aus. Der Spezialversicherer Allianz Global Corporate & Specialty will das ausnutzen. Die K&R-Policen, die das Unternehmen ab September anbieten will, sollen weltweit gültig sein.

www.ftd.de/assekuranz

Schutz für Mitarbeiter

Quelle: Financial Times Deutschland

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