Erpresser bedrängt Clerical Medical

Polizei verhaftet früheren Angestellten des Lebensversicherers ·Veröffentlichung interner Dokumente zu Hebelgeschäften angedroht

VON Herbert Fromme, Köln

Ein Erpressungsfall setzt den britischen Lebensversicherer Clerical Medical unter Druck. Ein 31-jähriger Deutscher, der für den Konzern gearbeitet hatte, wurde verhaftet, wie die Polizei am Dienstag mitteilte. Er soll von dem Unternehmen, das heute zur britischen Lloyds Bank gehört, 1,75 Mio. Euro verlangt haben – andernfalls würde er brisante Unterlagen veröffentlichen.

Hintergrund der Erpressung sind nach Angaben aus Versicherungskreisen Hebelgeschäfte, mit denen Anleger viel Geld verloren haben. Dabei nahmen Kunden einen Kredit auf und steckten das Geld in eine britische Lebensversicherung. Verkäufer schürten die Erwartung, die hohen Renditen von acht Prozent und mehr würden die Kreditzinsen von rund fünf Prozent deutlich übertreffen und so zu einem Gewinn führen.

Das blieb in vielen Fällen eine Illusion. Im Gegenteil: Zins- und Wechselkursschwankungen machten die Investition für viele Kunden zum dicken Minusgeschäft. Zahlreiche Anleger zogen vor den Kadi. Clerical Medical wehrt sich mit dem Argument, die Hebelgeschäfte seien von Vertrieben und Maklern entworfen und verkauft worden, der Konzern habe damit nichts zu tun. Die Anleger und deren Anwälte argumentieren dagegen, Clerical habe die Kunden zu den Hebelgeschäften ermutigt und Vertriebe speziell darin geschult. „Die meisten Urteile, die 2009 dazu gefällt wurden, sind zu unseren Gunsten ausgegangen“, sagte eine Unternehmenssprecherin.

Nach FTD-Informationen aus der Assekuranz behauptete der Erpresser, Dokumente in der Hand zu haben, die angeblich eine deutlich aktivere Rolle der Firma bei den Hebelgeschäften belegen. Es handele sich um E-Mails und interne Memos. Quelle sollen Rechner in Maastricht gewesen sein – über die dortige Niederlassung und eine Gesellschaft in Luxemburg betrieb Clerical jahrelang das Deutschlandgeschäft. Künftig wird es aus Heidelberg geführt.

Bis 2000 hatte der Versicherer wenig Berührungsängste mit Hebelprodukten. Anfang 2000 führte das Unternehmen dann standardmäßig Klauseln ein, um eine Haftung bei Problemen aus den Hebelgeschäften auszuschließen. In einigen Verträgen fehlte der Haftungsausschluss allerdings. Davor ging es munter zur Sache: 1992 gab die Firma einen sogenannten „Gearing Pack“ aus, ein Informationspaket, mit dem Hebelprodukte angepriesen wurden. Vier Jahre später zog Clerical diese Packs zurück, das Management ahnte mögliche Probleme. Nur in Hongkong gab es eine Panne. Dort erhielten Makler noch 1998 die Broschüre „Hebeln Sie Ihre Einnahmen“.

Clerical hat auch außerhalb der Hebelgeschäfte Ärger mit deutschen Anlegern. Hunderte klagen wegen des starken Wertverlusts ihrer privaten Rentenversicherung. Damit es nicht zu einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs kommt, schloss Clerical kurz vor einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs am 16. Dezember einen Vergleich mit dem klagenden Ehepaar – und sorgte so dafür, dass andere Kunden, die sich geschädigt fühlen, erneut durch die Instanzen gehen müssen.

Quelle: Financial Times Deutschland

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