Finanzvertriebe kämpfen mit der Krise

Für AWD, MLP und Mitbewerber scheinen die goldenen Zeiten vorbei zu sein. Sieleiden unter der Zurückhaltung der Kunden – und unter ihren Geschäftsmodellen

Mit Goldkettchen und Gamaschen staffierte sich Carsten Maschmeyer einst gern bei öffentlichen Auftritten aus. Die Finanzbranche zerriss sich das Maul über den vermeintlichen Proll mit den vielen Millionen. Doch der Dünkel verstellte den Blick für das Erfolgsrezept des Gründers des Hannoveraner Finanzvertriebs AWD. Er diente den Tausenden von Vertretern, die über die Jahre kamen und gingen, als Vorbild und Versprechen. „Das könnt ihr auch schaffen“, war die Botschaft. „Ihr könnt reich werden.“

Schon lange hat Maschmeyer sein altes Image hinter sich gelassen, jetzt fiel auch der Schnauzbart dem neuen Selbstbild zum Opfer. Heute ist er an der Seite der Schauspielerin Veronica Ferres auf den Titelseiten der bunten Blätter und Teil des Showgeschäfts. Gerade rechtzeitig hat der Milliardär den AWD zum Rekordpreis an die Swiss Life verkauft.

Maschmeyer hatte erneut mehr Gespür als viele andere in der Branche. Die aktuelle Krise könnte das Ende eines Geschäftsmodells beschleunigen, das ohnehin schon angeschlagen ist. Finanzvertriebe verkaufen im Auftrag von Banken, Versicherern und anderen Verträge und leben von den Provisionen. Daneben unterhalten die Anbieter in der Regel noch andere Absatzkanäle wie eigene Vertreter oder Makler.

Das öffentliche Bild der Finanzvertriebe dominieren die vier Großen DVAG, AWD, MLP und OVB. Daneben gibt es unzählige kleinere Organisationen. Gegründet wurden die meisten Vertriebe als Strukturvertriebe nach dem Vorbild von Tupperware oder dem Urahnen aller deutschen Finanzvertriebe, Bernard Cornfelds Investors Overseas Service (IOS). Das Wesen der Strukturen: Hauptziel war die Rekrutierung, der frisch angeheuerte Vertriebler grast Familie und Freunde ab. Wenn er taugt, bleibt er, wenn nicht, kommt der nächste. Wer viel verkauft und viel rekrutiert, wandert in der Struktur eine Stufe nach oben – und erhält dort einen Anteil auch an den Provisionen, die die Ebenen unter ihm erwirtschaften. Das Image hat sich gewandelt: einerseits, weil die Branche viel dazu getan hat, vor allem aber, weil die verschärften Vorschriften für Vermittler von EU und deutschem Gesetzgeber das alte Modell unter Druck brachten.

Einer der ersten, der neue Wege ging, war MLP. Das Unternehmen galt lange als Wunderkind der Branche und schaffte es sogar kurzfristig in den Dax. Nach einem Bilanzskandal begann der Abstieg, sowohl aus dem Dax als auch bei den wirtschaftlichen Ergebnissen.

Die Vertriebe haben den Höhepunkt ihres Erfolgs allerdings schon 2005 überschritten. Bis dahin stieg ihr Anteil im wichtigen Markt Lebensversicherung, der für die Altersvorsorge und den Vermögensaufbau der Kunden von großer Bedeutung ist. „Die Zeiten der großen Steigerung bei den Marktanteilen sind vorbei“, sagt Ulrich Wiesenewsky, Experte für Vertriebswege in der Assekuranz beim Unternehmensberater Towers Watson.

Nicht nur die krisenbedingte Zurückhaltung der Verbraucher macht den Finanzvertrieben zu schaffen. Sie können offenbar nicht auf das veränderte Angebots- und Nachfrageverhalten am Markt reagieren. Beispiel Einmalbeiträge: Viele Versicherer setzen zurzeit auf dieses Geschäft, bei dem Kunden auf einen Schlag viel Geld anlegen. Verbraucher nehmen diese Verträge in großem Umfang an, weil sie ihr Kapital parken wollen und die Gesellschaften für sicher halten.

„Das Geschäft mit den Einmalbeiträgen geht an den Vertrieben so gut wie vorbei“, sagt Experte Wiesenewsky. Die verschärften Regeln bei Ausbildung und Aufklärung zwangen die Vertriebstruppen, sich lange mit sich selbst zu beschäftigen. Beim Einmalgeschäft dominieren die Banken, die Vertriebe bleiben außen vor.

Vor der Krise haben sie sehr auf die provisionsträchtigen fondsgebundenen Verträge gesetzt. Das fällt den Vertrieben jetzt auf die Füße. Denn der Absatz dieser Verträge ist wegen der hohen Verluste vieler Anleger und der Krisenangst massiv eingebrochen. Folge: Die Provisionsumsätze sinken. Selbst der mit 1,097 Mrd.Euro Jahresumsatz 2009 größte Vertrieb DVAG musste ein Minus von 127 Mio.Euro verschmerzen, der Gewinn schmolz von 149 Mio.Euro auf 138 Mio.Euro. MLP und AWD trieb die Krise sogar in die roten Zahlen.

Die MLP-Spitze redet sich die Lage schön. Das Geschäftsmodell sei keineswegs in Gefahr, sagt MLP-Chef Uwe Schroeder-Wildberg und bemüht Durchhalteparolen: „Die Krise macht deutlich, wie wichtig eine umfassende und nachhaltige Finanzberatung ist.“ MLP habe sich auf das schwierige Umfeld eingestellt. Tatsächlich hat der auf Akademiker spezialisierte Vertrieb im ersten Quartal schwarze Zahlen geschrieben – weil er extrem gespart hat. Der Umsatz ist nach einem schon sehr schlechten Vorjahresquartal weiter rückläufig. Die MLP-Führung glaubt dennoch an die nahe Trendwende. „Wir sehen positive Signale und rechnen damit, dass sich das Umfeld stabilisiert“, sagt Schroeder-Wildberg.

Ihren einstigen Siegeszug verdankten die Finanzvertriebe aber auch der Attraktivität einer unabhängigen Beratung durch eine Firma, die keiner Bank und keinem Versicherer gehört. Dazu braucht ein Vertrieb eine breite Angebotspalette verschiedener Partner.

Ganz so neutral sind die Vertriebe nicht. Die DVAG verkauft vor allem für die Generali. Das bemerkt der Kunde oft nicht, weil der die verschiedenen Marken des Konzerns nicht mit der Mutter in Verbindung bringt. AWD gehört seit dem Verkauf von Maschmeyer dem Versicherer Swiss Life, der mit der Neuanschaffung gegen seine Vertriebsschwäche in Deutschland kämpfen will. Und Konkurrent MLP gelang es zwar, die Übernahmeversuche von Swiss Life abzuwehren. Doch das kostete den Finanzvertrieb auch ein Stück Unabhängigkeit: MLP musste sich als Aktionäre die Allianz, die Axa, die Barmenia und die Talanx ins Haus holen.

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland

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