Wenn die Produktion steht

Bleibt der Nachschub an Fertigungsteilen aus, müssen Firmen einen Notfallplanhaben. Die Assekuranz schützt Herstellung und Transport nicht vor allen Gefahren

Es sah aus, als würde es eng werden. Der Elektrohersteller aus Bayern wartete tagelang auf eine Zustellung von seinem Lieferanten aus Nepal. Dort waren wegen politischer Unruhen die Grenzen dicht. Waren kamen weder ins Land hinein noch hinaus. Doch das Unternehmen brauchte die speziellen Schraubenmuttern, die ein Vorlieferant in Nepal herstellte, um weiter produzieren zu können. Keiner wusste, wie lang die Blockade dauern würde. Die Bayern hatten Glück. Nach wenigen Tagen wurden die Grenzen wieder geöffnet. Diese Zeit konnte die Firma mit Lagerbeständen überbrücken.

Ist ein Unternehmen davon abhängig, dass Einzelteile für die Produktion pünktlich geliefert werden, können ausgefallene Warensendungen Millionenschäden verursachen. Störungen, die durch den Betriebsausfall wegen Bränden oder Hochwasser entstehen, sichert die Assekuranz zwar mit sogenannten Betriebsunterbrechungspolicen ab. Stockt die Produktion aber wegen politischer Unruhen oder wie kürzlich wegen der Aschewolke des Vulkans Eyjafjallajökull auf Island, übernimmt kein Versicherer die Kosten.

Das war jedenfalls bis jetzt so. Der jüngste Vulkanausbruch und die nachfolgende Schließung des Luftraums haben bei Industrie und Assekuranz eine Debatte darüber ausgelöst, wie Lieferkettenunterbrechungen ohne vorherigen Sachschaden abgesichert werden können. „Eine solche Deckung ist interessant, wenn der Risikotransfer wirtschaftlich sinnvoll ist“, sagt Jörg Henne, Risikomanager bei Epcos, einem Hersteller von elektronischen Bauelementen. „Der Aufwand für einen Abschluss etwa durch Risikoprüfungen darf für Unternehmen nicht zu hoch sein.“

Einzelne Anbieter haben sich hervorgewagt und wollen das Angebot an die Kunden bringen. Bei der Zurich ist Deckung gegen Lieferkettenunterbrechung nach eigenen Angaben bereits möglich. Dafür müssen sich Unternehmen auf eine umfassende Prüfung der Risikosituation einstellen. Dann versuchen Experten, die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls zu berechnen. Maßnahmen zur Risikominimierung wirken sich dabei positiv auf die Kalkulation aus.

Fällt ein Zulieferer für mehrere Tage aus, zahlt die Zurich eine vorher festgelegte Summe. „Die Kosten für eine Police liegen zwischen zwei und vier Prozent der versicherten Summe“, sagt Christoph Willi, der für das Industrieversicherungsgeschäft in Deutschland verantwortlich ist. Ausgeschlossen sind Krieg, Terrorismus oder nukleare Bedrohung.

Die Aschewolke hat das Problem ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Einige Unternehmen interessieren sich verstärkt für das Angebot, sind aber beim Abschluss zurückhaltend. „Wir hatten in den vergangenen Wochen über 100 Gespräche mit Interessenten in ganz Europa“, sagt Willi. Nur ein Unternehmen hat aber bislang eine Police abgeschlossen. Auch die Allianz-Tochter AGCS arbeitet an einer Lösung. „Wir sind in Gesprächen mit Kunden“, sagt Richard Manson von AGCS. „Derzeit bieten wir aber noch kein Produkt an.“

Selbst wenn das Risiko irgendwann in großem Stil versicherbar sein sollte, bleibt die Vorbeugung den Unternehmen überlassen. „Firmen müssen die Risiken entlang der Lieferkette kennen und genau analysieren“, sagt Jochen Körner vom Makler Marsh. Politische Risiken wie Streiks sind ebenso wichtig wie unvorhergesehene Ereignisse – wie im Fall eines Elektronikkonzerns: Er hatte lange vor Weihnachten in Großbritannien seine neue Spielkonsole angekündigt. Viele Briten hatten sie vorbestellt. Doch kurz vor dem Fest konnte der Konzern das Spielzeug nicht liefern, weil ein quer stehender Tanker den Sueskanal blockierte und die Container mit den begehrten Konsolen nicht per Schiff von Fernost nach Europa kamen. Die Risikomanager mussten reagieren: Sie organisierten den Transport per Flugzeug. Er kam rechtzeitig an.

Auch auf den Fall, dass ein Lieferant durch Skandale Schlagzeilen macht und das schlechte Bild auf die eigene Firma abfärbt, müssen Manager vorbereitet sein. „Kommen Selbstmordreihen, Kinderarbeit oder Hackerangriffe ans Licht, kann das negativ auf das Image des Unternehmens zurückfallen“, sagt Körner.

Deswegen prüfen die meisten Firmen inzwischen, ob die Arbeiter ihres Partners einen Mindestlohn bekommen, keine Minderjährigen beschäftigt sind und ob das Betriebssystem des Partners gegen Virenangriffe ausreichend gesichert ist.

Das alles nützt wenig, wenn sich ein Produzent auf einen einzigen Lieferanten verlässt und der pleitegeht. „Ein Risikomanager sollte immer auf einen Anbieter zurückgreifen können, der das Gleiche produziert und einspringen kann“, sagt Körner.

Anne-Christin Gröger

Quelle: Financial Times Deutschland

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