Loveparade-Chef belastet Polizei

„Einsatzleitung hat Schleusen geöffnet“ · Haftpflicht des Veranstalters zahltmaximal 7,5 Mio. Euro

Nach der tödlichen Massenpanik bei der Duisburger Loveparade hat Veranstalter Rainer Schaller die Polizei für die Katastrophe verantwortlich gemacht. „Die Einsatzleitung hat die Anweisung gegeben, alle Schleusen vor dem westlichen Tunneleingang an der Düsseldorfer Straße zu öffnen“, sagte der Unternehmer. Dadurch sei der Hauptstrom der Besucher unkontrolliert in den Tunnel gelangt. Warum die Polizei diese Anweisung gegeben habe, wisse er nicht. „Für den Fall der Überfüllung sollten die Schleusen geschlossen werden.“

Der Gründer der Fitnesskette McFit widersprach Vorwürfen, dass aus Profitgier Sicherheitsbedenken vernachlässigt worden seien. „Wir haben nie Druck auf eine Herabsetzung der Sicherheit ausgeübt. Nach derzeitigem Stand haben wir sämtliche Auflagen erfüllt. Das gesamte Konzept war in jedem Punkt in wöchentlichen Sitzungen mit Polizei, Feuerwehr und Stadt abgestimmt“, sagte der 41-Jährige der Nachrichtenagentur dpa.

Wer die Schuld an der Katastrophe trägt, ist auch aus versicherungstechnischer Sicht von Bedeutung. FTD-Informationen zufolge war Schallers Veranstaltungsfirma Lopavent dramatisch unterversichert. Seine Haftpflicht bei der deutschen Tochter der französischen Axa deckt gerade mal einen Gesamtschaden von 7,5 Mio. Euro – gemessen an den voraussichtlichen finanziellen Folgen der Katastrophe eine verschwindend geringe Summe.

Damit ist völlig ungewiss, wie Hinterbliebene und Verletzte entschädigt werden sollen. Für Ansprüche, die über die Deckungssumme hinausgehen, müsste eigentlich der Veranstalter selbst haften. Allerdings dürfte bei der Lopavent GmbH nicht genug zu holen sein. Dass im Falle einer Lopavent-Pleite Ansprüche auf Schaller persönlich oder seine McFit-Kette durchschlagen, ist sehr unwahrscheinlich. Versicherungsrechtlern zufolge droht den Geschädigten somit eine empfindliche Kürzung ihrer Haftungsansprüche.

Bei dem Unglück am Samstag waren nach gestern aktualisierten Angaben 20 Menschen getötet und mindestens 510 zum Teil schwer verletzt worden. Kinder von Todesopfern haben einen Anspruch auf Unterhaltszahlung, ebenso wie Menschen, die aufgrund einer Verletzung berufsunfähig werden und jahrzehntelang eine Rentenzahlung erhalten. Hinzu kommt Schmerzensgeld für Verletzte und Hinterbliebene. Weitere Ansprüche dürften Krankenkassen geltend machen, die sich Behandlungskosten und Krankengeld zurückholen wollen.

Für Massenevents handeln Veranstalter individuelle Deckungssummen aus. Die für die Duisburger Loveparade abgeschlossene Versicherung ist laut Branchenexperten aber ungewöhnlich niedrig. „Eine Deckungssumme von 7,5 Mio. Euro für Personenschäden ist nichts“, sagte der Versicherungsrechtler Theo Langheid. Axa wollte sich zu Haftungsfragen oder zur Entschädigung für die Opfer nicht äußern. Steht im Vorfeld fest, dass ein Haftpflichtversicherer für einen Schaden aufkommen muss, kann er vorläufig zahlen – er braucht es aber nicht.

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Anja Krüger, Köln,

und Stefan Tillmann, Berlin

Quelle: Financial Times Deutschland

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