Kommunikation ist keine Einbahnstraße

Blog, Twitter, Youtube: Social-Media-Dienste ermöglichen Unternehmen denDialog mit Verbrauchern. Das lohnt sich – Firmen können viel von ihren Kundenlernen

Eine optimale Kundenreaktion sieht anders aus. „Fragen so Ihre Kunden einen Tarif an? Ich muss sagen, dass dieser Beitrag auch wieder so gar nichts aussagt. Leider. Wo soll es eigentlich mit diesem Blog hingehen? Oder gibt’s den Blog, weil Blogs schick sind?“ User Hendrik zeigt sich im Blog des Direktversicherers Asstel, einer Tochter der Gothaer, ziemlich erbost. Er reagiert auf den Beitrag eines Asstel-Mitarbeiters, der erklärt, wie ein Tarif für die Autoversicherung kalkuliert wird.

Doch Asstel-Geschäftsführer Carlo Bewersdorf freut sich über die Reaktion: „Er gibt uns die Chance, auf die Kritik zu reagieren.“ Die Diskussion im Blog zeigt, dass andere Nutzer durchaus Interesse an der Kalkulation von Kfz-Tarifen haben. Der Versicherer verkauft seine Verträge ohne Vertreter und Geschäftsstellen per Telefon, Brief, Fax und via Internet.

Der eigene Blog ist nur einer von vielen Wegen, um mit Kunden ins Gespräch zu kommen. Seit März ist Asstel offensiv im Netz unterwegs, um sich bei den Kunden in ein gutes Licht zu rücken. Fünf Leute kümmern sich um den Dialog. Verkaufen sollen die Web-Arbeiter nicht. „Sonst würden wir unglaubwürdig werden“, sagt Bewersdorf. Letztendlich geht es zwar durchaus um bessere Verkaufszahlen. Aber nicht durch plumpes Marketing. „Wir lernen extrem viel über unsere Stärken und Schwächen“, sagt Bewersdorf.

Das Internet eröffnet Unternehmen vielfältige Chancen – wenn sie begreifen, dass Kommunikation keine Einbahnstraße ist. Fast alle großen Firmen nutzen die neuen Netzwerke, Blogs oder Plattformen. Autohersteller wie Mercedes und Volkswagen informieren via Facebook über ihre Modelle, Sportbekleidungshersteller Adidas zeigt bei Youtube Fußballfilmchen.

Zu den in der Netzgemeinde führenden DAX-Unternehmen gehört nach eigener Einschätzung die Deutsche Lufthansa. Sie ist auf allen Kanälen präsent. Als die Vulkanasche aus Island den Flugverkehr lahmlegte, hielt der Konzern über Twitter die Kunden bei Laune, informierte über die aktuelle Lage und Notfallpläne. „Dadurch konnten wir auch unsere Callcenter entlasten“, sagt Sprecher Marco Dall’Asta.

Gehen Gepäckstücke von Passagieren verloren, können sie über Social-Media-Dienste erfahren, wer hilft. „Diese Kanäle ergänzen unsere anderen Angebote, sie ersetzen sie nicht“, sagt der Firmensprecher. Auf Youtube hat die Fluggesellschaft einen Film eingestellt, bei dem ein Chefpilot erklärt, was im Cockpit wie funktioniert. Über Twitter teilt das Unternehmen Kunden mit, dass zum Oktoberfest Flugbegleiterinnen im Dirndl eingesetzt werden.

Die Lufthansa will die Kunden nicht nur beschallen. Sie bietet der Web-Community an, sich zu vernetzen. Kunden des Miles-and-More-Programms können in Kontakt treten, um in der Lounge eine Partie Schach zu spielen. Reisende können sich über einen Dienst verabreden, um etwa gemeinsam in Singapur ein Taxi in die City zu nehmen. „Es geht darum, die Servicekette rund ums Fliegen zu erweitern“, sagt Dall’Asta.

Wie fast alle Firmen, für die Kundenbeziehungen wichtig sind, ist der Versicherer Asstel bei Facebook und Xing unterwegs. Aber nicht nur als anonymes Unternehmen. „Wir treten mit wirklichen Namen und Gesichtern auf“, sagt Bewersdorf. Auf den Fotos der Mitarbeiter ist das Logo von Asstel abgebildet. „Ich bin im Auftrag der Asstel unterwegs“, schreibt Versicherungsfachfrau Tanja Heisters: „Aber nicht ausschließlich, denn Persönliches findet hier genauso seinen Platz.“

Das Unternehmen twittert zudem Pressemitteilungen, Bewersdorf und einige Kollegen schicken aber auch schon mal Anmerkungen zu einem neuen Film oder zu Musik. Im Gegensatz dazu sind die Aktivitäten in den Foren „Der gute Rat“ oder „Wer kennt wen“ und im eigenen Blog vor allem fachbezogen. Bewersdorf zeigt sich davon überzeugt, dass das Unternehmen davon profitiert: „Wir werden anders wahrgenommen.“

Vor allem kann der Versicherer die im Internet gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um besser zu werden. Einmal in der Woche werten die Mitarbeiter die gesammelten Informationen aus. So hat sich herausgestellt, dass den Kunden die Schadenregulierung zu lange dauerte. Die Zeit konnte verkürzt werden, indem die Mitarbeiter im Callcenter mehr Entscheidungsbefugnisse bekamen.

„Das eigene Angebot zu verbessern ist eine der großen Chancen, die Social-Media Unternehmen bieten“, sagt Martina Tomaschowski vom Softwarehersteller Attensity. Analysieren Firmen die im Web über sie kursierenden Informationen, erkennen sie frühzeitig Probleme.

Der Elektrogerätehersteller Whirlpool hat durch Beschwerden von Kunden in Internetforen festgestellt, dass etwas mit der Sicherung eines Herdes nicht stimmte. „Er schrieb von sich aus Kunden an und tauschte die Sicherung aus“, berichtet sie. Das ersparte dem Hersteller einigen Ärger.

Tomaschowskis Unternehmen bietet eine Software an, mit der Kunden Blogs, Plattformen und andere offene Quellen durchsuchen können. Das Programm erkennt Sinnzusammenhänge und ist dazu in der Lage, positive und negative Botschaften zu unterscheiden.

Zu den Nutzern gehört der Casino- und Hotelbetreiber Sands in Las Vegas. Die Analyse von zehntausenden Onlineposts ergab, dass die Gäste zwar vom Schwimmbecken in der Anlage begeistert waren, ihnen aber Schatten im Badebereich fehlte. Auch lange Wartezeiten stießen auf Unmut. Das Management konnte auf die Kritikpunkte reagieren.

Mit der Software können Unternehmen auch herausfinden, was über Wettbewerber im Internet kursiert. Namen deutscher Firmen, die das Programm nutzen, will Tomaschowski nicht nennen. Kein Wunder. Die Kunden der Kunden sind möglicherweise nicht davon begeistert, dass ihre Kommunikation im Web abgefischt und ausgewertet wird.

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland

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