Allianz Leben kuscht vor Mutter

Vom steigenden Überschuss des Versicherers profitieren Aktionäre weit stärkerals Versicherte

Herbert Fromme , Köln

Die Allianz Lebensversicherung hat in den vergangenen fünf Jahren den Anteil seines einzigen Aktionärs Allianz Deutschland AG am Rohüberschuss kräftig ausgebaut. Während der deutsche Marktführer für Lebensversicherungen die Kunden 2002 noch mit 95 Prozent am Rohüberschuss beteiligte, ging der Anteil 2006 auf 88 Prozent und im Krisenjahr 2008 sogar auf 69 Prozent zurück. 2009 erhielten die Kunden dann wieder 82 Prozent – der Rest ging an die Mutterfirma. Gleichzeitig verdreifachte die Allianz Leben aber den Gewinn, und die Dividende stieg von 12,50 Euro pro Aktie im Jahr 2002 auf 34 Euro 2008 und weiter auf 44 Euro im Jahr 2009.

Dies geht aus einer Untersuchung von Hermann Weinmann hervor, die der FTD vorliegt. Weinmann ist Professor für Versicherungsbetriebslehre in Ludwigshafen. „Die Unternehmensstrategie der Allianz verfolgt konsequent Gewinnmaximierung zulasten der Versicherungsnehmer“, kritisiert Weinmann. „Die Folgen der Finanzkrise werden allein den Kunden aufgebürdet.“ Der Verbraucherschutz arbeite sich irrigerweise an den Vertriebskosten ab.

Die Untersuchung heizt die Diskussion um die Zukunft der Lebensversicherung weiter an, bei dem der Versicherer Kunden eine Garantie über die Laufzeit des Vertrages gibt und dafür das Anlagerisiko trägt. Bei vielen Versicherern ist das Modell umstritten, weil es ertragsschwach ist. Die deutsche Lebensversicherung sei bei ökonomischer Betrachtung für die Anbieter „nicht sehr ertragreich“, sagte Munich-Re-Chef Nikolaus von Bomhard im vergangenen Jahr. Alternativen haben die Anbieter aber bislang kaum.

Zugleich drängt der Allianz-Konzern seine Töchter seit Jahren zu höheren Ausschüttungen – bei der Allianz Leben mit Erfolg. Doch weist Lebensversicherungschef Maximilian Zimmerer den Vorwurf zurück, dies passiere zulasten der Versicherer. Die von Weinmann verwendete Größe „Rohüberschuss“ sei das wirtschaftliche Ergebnis des Lebensversicherers nach Abzug der Garantieverzinsung – die den Kunden ohnehin zustehe.

Die Jahre 2002 und 2009 seien zudem kaum vergleichbar, sagte Zimmerer der FTD. „2002 war wirklich ein schlechtes Jahr, und 2009 hatten wir eine sehr hohe Steuerrückzahlung von 380 Mio. Euro.“ Außerdem steige bei sinkenden Erträgen das Risiko des Aktionärs. Denn die Gefahr wachse, dass er Verluste tragen müsse, wenn die Gesellschaft die den Kunden zustehenden Garantien – im Marktschnitt 3,4 Prozent – nicht mehr erwirtschafte. Die Allianz sei „hoch wettbewerbsfähig“, nur so habe sie den Marktanteil deutlich steigern können. Tatsächlich hat sie den Kunden Gewinnbeteiligungen gutgeschrieben, die im Marktdurchschnitt liegen – trotz höherer Ausschüttungen an die Aktionäre. Die Allianz Leben hat erfolgreicher gewirtschaftet als viele Rivalen.

Weinmann bleibt bei seiner Kritik der Ausschüttungspraxis, die zu einer „unanständigen Eigenkapitalrendite“ führe. Sie stamme „aus kalkulationsbedingt zu hohen Beiträgen der Versicherungsnehmer“, außerdem verdiene die Allianz an staatlich geförderte Altersvorsorge wie Riester- und Rürup-Renten.

Lebensversicherer haben drei Gewinnquellen für den Rohüberschuss: Kapitalerträge, die Riskogewinne, wenn weniger Todesfälle eintreten als einkalkuliert, und Kostengewinne, wenn die Kosten geringer sind als berechnet. Bei Risiken und Kosten müssen die Versicherer bewusst vorsichtig kalkulieren, Gewinne treten hier fast immer auf. Von den Kapitalerträgen nach Abzug der Garantien stehen den Kunden mindestens 90 Prozent zu, den Aktionären zehn Prozent. Beim Risikoergebnis ist das Verhältnis 75 zu 25, bei den Kosten 50 zu 50 Prozent.

Quelle: Financial Times Deutschland

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