BaFin kommt Assekuranz entgegen

Aufseherin Hahn verspricht Schonfrist bei Kapitalregeln // Bei Ergo“Vorstände in der Verantwortung“

Herbert Fromme

und Anne-Christin Gröger, Bonn

Die Finanzaufsicht BaFin hat sich gegen eine Verschiebung des Starttermins der neuen europaweiten Kapitalvorschriften Solvency II für Versicherer ausgesprochen. Gleichzeitig versprach Versicherungsaufsichtschefin Gabriele Hahn der Assekuranz Übergangsfristen für einzelne Teile des komplexen Regelwerks.

Die Umstellung vom gegenwärtig gültigen Aufsichtssystem Solvency I auf die neuen EU-weiten Regeln Solvency II werde „nicht auf Knopfdruck zum Stichtag geschehen“, sagte Hahn. „Bei so großen Veränderungen wie der Umstellung des kompletten Aufsichtssystems durch Solvency II sind Regelungen sachgerecht, die einen gesteuerten Übergang erlauben.“

Solvency II wird seit einem Jahrzehnt diskutiert und vorbereitet. Damit will die EU einheitliche Regeln für alle Versicherer in Europa einführen. Die von den Versicherern verlangte Kapitalunterlegung soll künftig nicht nach starren Prozentsätzen, sondern nach den tatsächlich eingegangenen Risiken bemessen werden. Die Versicherungsbranche kritisiert die hohe Komplexität, mögliche scharfe Schwankungen des Kapitalbedarfs von Monat zu Monat und viele Ungereimtheiten.

Eine Verschiebung des Starttermins soll es laut Hahn aber nicht geben. „Das birgt die Gefahr, dass man letztlich die Anwendungsprobleme um genau diesen Zeitraum verschiebt“, sagte Hahn. Sie plädiert für ein abgestuftes Vorgehen. „Man könnte für das erste Jahr der Anwendung über Erleichterungen bei der Berichterstattung an die Aufsicht und an die Öffentlichkeit nachdenken.“ Solche Abstufungen seien auch in anderen Teilen von Solvency II denkbar.

Außerdem erwartet Hahn in der endgültigen Fassung von Solvency II, die zurzeit in Brüssel festgeklopft wird, viele Vereinfachungen gegenüber dem jüngsten Testlauf, der fünften Auswirkungsstudie. Sie hatte 2010 in der Branche für besonders großen Unmut gesorgt. „Bei den Vereinfachungen geht es in erster Linie um die genauen Einstellungen des Systems“, sagte sie. Hauptpunkte seien das Katastrophenrisiko, die Kapitalunterlegung für strukturierte Produkte und das Zinsrisiko für die Lebensversicherer. „Das wird mit unserer Unterstützung auf europäischer Ebene weiterentwickelt.“ Was die vor allem für Lebensversicherer wichtige Zinsstrukturkurve betreffe, gehe sie davon aus, dass die Erkenntnisse aus der Auswirkungsstudie berücksichtigt werden.

Auch für die BaFin sei Solvency II eine echte Herausforderung. „Aber ich bin sicher, dass wir das schaffen.“ Allein im laufenden Jahr sollen 25 Stellen in der Versicherungsaufsicht neu eingerichtet werden. Bislang schaut sich die Aufsicht die internen Risikomodelle von drei Versicherungskonzernen an, nach Marktinformationen sind das Allianz, Munich Re und Talanx. Hahn will zu den Namen nichts sagen. „Sicher werden noch weitere Unternehmen interne Modelle beantragen“, sagt sie. 2010 habe die BaFin mit zehn Gesellschaften Vorgespräche geführt, 2011 mit etwa ebenso vielen.

Im Vorstand der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA ist Deutschland nicht vertreten – zum Zeitpunkt der Wahl war der Stuhl des Chefs der Versicherungsaufsicht in Deutschland gerade vakant. Das bedeute aber nicht, dass die BaFin ohne Einfluss sei, sagte Hahn. „Das Entscheidungsgremium ist ohnehin das Board of Supervisors, und dort bin ich Mitglied.“ Es gebe kein Konkurrenzverhältnis zwischen BaFin und die EIOPA. „Die Arbeitsteilung ist klar, für die gesamteuropäische Sicht ist die EIOPA zuständig, wir nationalen Aufsichtsbehörden sind für den nationalen Bereich zuständig.“

Zu den Skandalen bei der Munich Re-Tochter Ergo sagte Hahn, zu einzelnen Unternehmen wolle und dürfe sie nichts sagen. „Doch grundsätzlich gilt: Wenn bei einem Versicherungsunternehmen etwas nicht so läuft, wie das den normalen Wegen entspricht, dann müssen wir uns anschauen, ob in diesem Unternehmen die aufsichtsrechtlich relevanten Regeln eingehalten werden.“ Dazu gehörten auch das Risikomanagement und die Verantwortung von Vorständen und Aufsichtsräten.

Quelle: Financial Times Deutschland

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