Seehund ja, Schwein nein

Das Jagdgesetz legt fest, für welche Tierunfälle dieAuto-Teilkaskoversicherer aufkommen müssen. Doch die Regelungen sind ziemlichmerkwürdig

Rennt ein Reh vors Auto, zahlt die Teilkasko anstandslos. Kommt aber eine Kuh dem Wagen in die Quere, geht der Halter leer aus. Bei einem Zusammenstoß mit einem Seehund dagegen würde die Teilkasko zahlen.

Selbst für die bizarre Regelwelt der Assekuranz rufen die Versicherungsbedingungen für Unfälle mit Tieren Staunen hervor. Ob Seehund, Kuh oder Reh: Bei der Vollkasko ist die Lage übersichtlich. Dann reguliert der Versicherer immer den Schaden. Kompliziert dagegen liegt die Sache, wenn das Auto teilkaskoversichert ist. Häufig sehen die Bedingungen vor, dass der Versicherer nur für Schäden aufkommt, die durch Haarwild verursacht werden. Als Haarwild gelten alle Tiere, die das Bundesjagdgesetz in Paragraf 2, Absatz 1, Nummer 1 aufzählt. Auf der illustren Liste finden sich neben Rotwild, Feldhase, Luchs und Fuchs unter anderem Seehunde, Schneehasen und Wisente. Dagegen stehen die in den hiesigen Breitengraden viel häufiger anzutreffenden Kühe, Ziegen, Schafe, Schweine oder Pferde ebenso wenig auf der Liste wie Fasane, andere große Vögel oder Hunde und Katzen.

Die Versicherer bieten Kunden an, den Schutz auf Tiere zu erweitern, die das Bundesjagdgesetz nicht aufzählt. „Die Bedingungen sind nicht alle gleich“, warnt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. „Der Markt ist sehr intransparent.“ Die gute Nachricht: Die Kfz-Versicherer liefern sich seit Jahren einen heftigen Preiskrieg. Als Lockmittel für Kunden eignen sich Kuh und Pferd bestens.

Einige Häuser bieten einen erweiterten Schutz schon in der Grundausstattung der Teilkasko. Der neue Autotarif der Allianz etwa umfasst auch die Regulierung von Schäden nach einem Zusammenstoß mit Rindern, Pferden, Schafen und Ziegen. Für Kollisionen mit Schweinen oder dem in Mecklenburg-Vorpommern heimisch gewordenen riesigen Laufvogel Nandu zahlt der Versicherer aber nicht. Dafür gibt es einen Zusatzbaustein, der Unfälle mit „Tieren aller Art“ abdeckt. Er kostet einen Golffahrer in Braunschweig 5 Euro im Jahr. Das ist nicht viel. Andere Häuser verlangen aber nichts extra.

Auch der Münsteraner Versicherer LVM geht in seinem Grundschutz in der Teilkasko über Reh und Hirsch hinaus. Hier sind Kollisionen „mit allen Wirbeltieren“ in sämtlichen Tarifen versichert. Kunden sind damit umfassend versorgt – es sei denn, sie stoßen mit Tarantula oder einer Riesenameise zusammen. Bei der DEVK ist im Billigtarif nur Haarwild versichert, im Standardtarif kommen Pferde, Schafe, Ziegen und Rinder dazu. Ab September allerdings sind dann alle Tiere versichert.

Die Aussichten stehen übrigens schlecht, dass nach einem Unfall mit einer Kuh deren Besitzer den Schaden begleicht. Halter von Nutztieren haften nur sehr eingeschränkt. Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat entschieden, dass ein Bauer selbst dann nicht für den Schaden durch sein wild gewordenes Rind zur Verantwortung zu ziehen ist, wenn er die Koppel unzureichend gesichert hat. Jagdpächter haften ebenfalls nicht, versichert ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Jagdverbands: „Wildschweine, Hirsche und Artgenossen gelten als herrenlos, solange sich kein Jäger die Tiere angeeignet hat.“

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland

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