Hausgemachte Pleite

Gerling-Betriebsrentner fühlen sich von ihrem Ex-Arbeitgeber gelinkt – seitJahren bekommen sie keine Rentenerhöhung. Nun fällt ein Grundsatzurteil, ob derGerling-Eigner Talanx zusätzliches Geld lockermachen muss

Friederike Krieger

Friederike Krieger , Köln

Jahrelang hat sich Klaus Ebers* für seinen Arbeitgeber aufgerieben. Jetzt, im Ruhestand, kämpft er gegen ihn vor Gericht. Zusammen mit mindestens 50 anderen Mitarbeitern des Versicherers Gerling will Ebers eine Erhöhung der Betriebsrenten durchsetzen. Mitte August will das Bundesarbeitsgericht (BAG) den Fall des Gerling-Pensionärs verhandeln (Az.: 3 AZR 866/09) – und eine Grundsatzentscheidung treffen, die nicht nur für den heutigen Gerling-Eigner Talanx sehr teuer werden kann.

Firmen, die ihren Beschäftigten Betriebsrenten zugesagt haben, müssen laut dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung alle drei Jahre eine Anpassung an die Entwicklung der Preise oder Nettolöhne prüfen. Die Unternehmen können eine Erhöhung aber ablehnen, wenn es ihre wirtschaftliche Situation nicht zulässt. Ein Hebel, der gern genutzt wird. „Mit diesem Argument versuchen sich viele Unternehmen vor Anpassungen zu drücken“, sagt Karlheinz Große vom Bundesverband der Betriebsrentner. Dazu zählten laut Große auch namhafte Konzerne wie ThyssenKrupp oder IBM.

Auch der Ex-Arbeitgeber von Ebers reiht sich in diese Liste ein. Der heutige Pensionär war 31 Jahre lang im Außendienst tätig, zuletzt bei der Gerling Industrie-Service GmbH West (GIS). Im Jahr 1999 ging er in den Ruhestand. Seine Betriebsrente wurde 2002 letztmalig erhöht. Seit 2005 heißt es, die Ertragslage sei zu schlecht. „Das liegt daran, dass das operative Geschäft entfernt wurde“, glaubt Ebers.

Denn 2003 nahm der damals finanziell angeschlagene Gerling-Konzern eine Umstrukturierung vor. Er spaltete die Vertriebs- und Dienstleistungsgesellschaften auf und schlug sie den Versicherungstöchtern zu. Ende 2003 übertrug auch die Gesellschaft, bei der Ebers beschäftigt war, den gesamten Geschäftsbetrieb inklusive aller Arbeitsverhältnisse auf einen anderen Konzernteil. Nur die Rentner verblieben. Das Eigenkapital betrug seither nur noch 130 000 Euro – zu wenig, um die Betriebsrenten zu erhöhen.

2006 übernahm dann Talanx Gerling und damit auch Versorgungszusagen gegenüber etlichen Rentnern. „Wenn es nur nach den wirtschaftlichen Daten der ursprünglichen Arbeitgebergesellschaft geht, dürfte es keine Anpassung geben“, sagt Daniel Hartmann, Anwalt bei Ulrich Weber & Partner, der die Pensionäre vertritt. „Es kommt aber auf Talanx an.“

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat Ebers bereits eine Erhöhung zuerkannt (Az.: 11 Sa 751/08). Sein ehemaliger Arbeitgeber habe 2002 und 2003 eine angemessene Eigenkapitalrendite erreicht. Die Situation habe sich für die Pensionäre nur durch die Umwandlung verschlechtert. „Durch diese geschäftlichen Transaktionen war von Anfang an lediglich die Zahlung laufender Betriebsrenten gesichert, die Verpflichtung zur Anpassung hingegen wurde unerfüllbar“, so das LAG. Da eine Talanx-Tochter, für die sich der Gesamtkonzern verbürgt hat, die Versorgungsverpflichtungen übernommen habe, müsse sie jetzt auch für Rentenerhöhungen einstehen. Talanx hat Revision eingelegt und will sich zu dem Fall nicht äußern.

„Die Entscheidung des LAG ist bahnbrechend“, sagt Hartmann. Bisher gab es nur ein BAG-Urteil zur umgekehrten Konstellation. Ein Rentner hatte dagegen geklagt, dass seine Firma Versorgungsverbindlichkeiten auf einen anderen Betriebsteil ausgegliedert hatte. Das BAG billigte zwar die Gründung der Rentnergesellschaft, verlangte aber eine ausreichende Kapitalausstattung für Anpassungen (Az.: 3 AZR 358/06). Nun hat das LAG laut Hartmann klargestellt, dass das auch auf Gesellschaften zutrifft, die Konzernteile durch Übertragung des aktiven Geschäfts auf eine Rentnergesellschaft reduzieren.

„Wenn das LAG-Urteil bestehen bleibt, haben wir mit einem Schlag viele ähnlich gelagerte Fälle gewonnen“, sagt er. Auf Talanx würde „eine riesige Welle zurollen“. Der Konzern müsse nicht nur unterbliebene Anpassungen von rund 130 Euro monatlich nachholen und Hinterbliebenenansprüche befriedigen, sondern auch künftig die Renten erhöhen.

Viele Pensionäre haben noch nicht geklagt, sondern warten den Ausgang des Prozesses ab. Auch sie könnten sich noch an Talanx wenden. „Es muss klappen“, sagt Hartmann. Sonst könne man den Paragrafen zur Rentenerhöhung gleich streichen. Denn dann könnte jede Firma Tochtergesellschaften bis auf die Rentner leeren – und sich darauf berufen, dass kein Geld da ist.*Name geändert

Quelle: Financial Times Deutschland

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