Helfer bei der Risikobewertung

Spezialisierte Makler wollen mit Beratung und Service punkten. Sie investieren in hochkomplexe Simulationsmodelle

Ilse Schlingensiepen

Ilse Schlingensiepen

Investitionen in Innovationen gehören zum Kerngeschäft von Branchen wie der Pharma- oder der Autoindustrie. Bei einem Rückversicherungsmakler erwartet man dagegen kaum einen nennenswerten Haushaltsposten für Forschung und Entwicklung. Doch die Spezialisten wollen bei Erst- und Rückversicherern mit einem möglichst umfassenden Leistungsspektrum punkten. Dazu gehört die technisch aufwendige Bewertung von Risiken.

„Wir geben pro Jahr weltweit 100 Mio. Dollar für Analysemodelle und Produktinnovationen aus“, sagt Jan-Oliver Thofern, Chairman und CEO für den deutschsprachigen Raum bei Aon Benfield, dem weltgrößten Rückversicherungsmakler. Das Geld fließt unter anderem in die Modellierung von Naturgefahren und Kapitalmarktrisiken.

Solche Modelle helfen den Erstversicherern, möglichst genau einzuschätzen, wie groß ihre Exponierung bei bestimmten Risiken ist und wie viel Rückversicherungsschutz sie benötigen. Den Erstversicherer entlaste der Makler vom Aufwand, die Modellierungsarbeit selbst zu machen, sagt Thofern. „Zum Teil verfügen die Gesellschaften in einigen europäischen Ländern auch nicht über die richtigen Modelle.“ Das gelte zum Beispiel für das Thema Flut, so Thofern.

Aon Benfield hat mit der eigenen Firma Impact Forecasting und der Universität Köln ein Modell für Stürme in Europa entwickelt. Es soll ab 2013 zur Verfügung stehen. „Die Datenbasis ist breiter und tiefer als bei den Modellen, die bisher auf dem Markt sind“, sagt Thofern selbstbewusst. Zudem sei das Modell transparent, die Versicherungsgesellschaften könnten also nachvollziehen, warum es zu dem errechneten Risikobedarf kommt, erklärt er.

Aon Benfield tut damit genau das, was Michael Pickel, Vorstand der Hannover Rück, von einem Rückversicherungsmakler erwartet. „Ich würde mir wünschen, dass die Makler bei der Modellierung von Naturkatastrophen besser werden“, sagt er. Das Sturmmodell werde man sich genau anschauen. „Das könnte ein guter Service sein.“

Die Hannover Rück arbeitet viel mit Maklern – wenn auch mit großen regionalen Unterschieden. In Nordamerika läuft das komplette Geschäft über die Vermittler, in Deutschland nur ein geringer Teil. Der weltweit drittgrößte Rückversicherer hat in den USA und Kanada keine eigene Niederlassung. „Die Courtage wiegt das auf, was wir sonst als Geschäftskosten hätten“, sagt Pickel. Außerdem spielen in den angelsächsischen Ländern Makler bei der Platzierung von Rückversicherungsgeschäft eine viel wichtigere Rolle als in Deutschland, wo Erst- und Rückversicherer meist direkt ins Geschäft kommen.

Personen wichtiger als Größe Thofern schätzt, dass Rückversicherungsmakler hierzulande einen Anteil von 15 Prozent am Rückversicherungsmarkt haben, davon entfallen auf Aon Benfield zirka 70 Prozent. Weitere Großmakler sind Guy Carpenter und Willis Re. Seit Ende Mai dieses Jahres ist mit Towers Watson (Re) Insurance Brokers auch der weltweit viertgrößte Anbieter in Deutschland präsent.

Bei der zur Kölner Versicherungsgruppe DEVK gehörenden DEVK Rückversicherung fließt rund die Hälfte des Geschäfts über Vermittler, sagt Vorstand Bernd Zens. „Für uns kleinere Rückversicherer sind die Makler ein Vorteil, weil wir nicht so viele Leute haben, um ständig alle Kunden selbst zu besuchen.“

Häufig hänge es von den Erstversicherern ab, ob ein Makler eingeschaltet wird oder nicht. „Manche platzieren alles über Makler, andere nur das Naturkatastrophengeschäft“, sagt Zens. Er sieht es als Verdienst der Makler, dass über sie nicht nur große Rückversicherer Zugang zur Risikomodellierung haben. Wirkliche Neuerungen seien auf diesem Gebiet aber selten. Auch Zens will das Sturmmodell von Aon Benfield prüfen, ist aber eher skeptisch. Das mag auch daran liegen, dass sein Unternehmen gerade dabei ist, selbst ein Modellierungswerkzeug für Stürme zu etablieren. „Wir wollen nicht in Abhängigkeit geraten“, betont er.

Die DEVK Rück arbeitet sowohl mit den Großmaklern als auch mit kleineren Anbietern zusammen. „Gerade mit den kleinen Maklern haben wir gute Erfahrungen gemacht.“ Denn die Größe allein sei nicht entscheidend, viel wichtiger seien die handelnden Personen. „Da gibt es wie auch sonst im Leben eine große Streubreite.“

Mehr als die reine VermittlungKunden des mittelständischen Kölner Rückversicherungsmaklers König & Reeker sind mehrheitlich kleine und mittlere Erstversicherer. Besonders diese wollten häufig keine Makler, die Teil eines Großkonzerns sind, sondern unabhängige Anbieter, sagt Christian Baumguertel, Partner und Senior Account Manager. „Ich habe häufiger erlebt, dass wir uns gegen die Großen durchgesetzt haben, weil wir die Sprache des Kunden sprechen.“ Gerade die stark technische Ausrichtung der Großmakler komme nicht immer gut an bei Versicherern, die keine wirkliche Rückversicherungsabteilung haben. Sie wollen, dass man sich Zeit nimmt und gezielt auf ihre Belange eingeht, sagt Baumguertel.

Die Beratung spiele eine zentrale Rolle. „Als Rückversicherungsmakler sehe sich mich, bildlich gesprochen, mehr wie einen Steuerberater, mit dem man spricht, bevor man zum Finanzamt geht, sprich zum Rückversicherer.“

Für die Vermittler von Rückversicherungsgeschäft ist es in gesättigten Märkten schwierig, über wirkliches Neugeschäft zu wachsen. „Die Rückversicherungsmakelei ist sehr bestandsfest“, sagt Baumguertel.

Umso wichtiger ist es für die Makler , den Kunden besondere Services bieten zu können. Marktführer Aon Benfield erweitert nach Angaben von Thofern das Dienstleistungsangebot kontinuierlich. Starke Nachfrage der Kunden gebe es nach der Beratung zu den Auswirkungen der künftigen Eigenkapitalregeln Solvency II. „Wir haben ein eigenes Risikomanagement-Tool namens ReMetrica, das der kleine Erstversicherer ebenso nutzt wie der große Rückversicherer“, sagt er.

Gegen die Ausweitung des Tätigkeitsfelds der Rückversicherungsmakler ist nach Einschätzung von Hannover-Rück-Vorstand Pickel nichts zu sagen. Er sieht aber eine ungünstige Vermischung der Courtage, die der Rückversicherer für die eigentliche Vermittlung zahlt, und der vom Makler für den Service veranschlagten Kosten. „Wenn das klar getrennt wäre und separat verkauft würde, fände ich es gerechter“, sagt Pickel.

Quelle: Financial Times Deutschland

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