Wenn die Ernte vertrocknet

In den USA können sich Bauern gegen Dürre versichern, in Deutschland nicht

Anja Krüger

Die schlechten Nachrichten aus den USA reißen nicht ab. Die Dürre in weiten Teilen des Landes hat die Felder versengt. Die Sojabohnenernte ist zerstört, für Mais und andere Getreidesorten sieht es nicht viel besser aus. Schätzungen zufolge liegt der wirtschaftliche Gesamtschaden bislang bei 20 Mrd. Dollar. In den USA sind rund 80 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche versichert, das sind 108 Millionen Hektar.

2011 haben den Rückversicherern besonders Überschwemmungen wie in Thailand zu schaffen gemacht. Dürren sind ihre Antagonisten. „Beide extremen Wetterereignisse nehmen zu“, sagt Peter Höppe, Leiter der Georisikoforschung des Rückversicherers Munich Re. Das ist wahrscheinlich eine Folge des Klimawandels. So werden die Abstände zwischen den Hitzewellen kürzer. „Der Weltklimarat hat zum Beispiel für die USA abgeschätzt, dass eine bisher alle 20 Jahre auftretende Hitzewelle in der Mitte dieses Jahrhunderts etwa alle drei bis vier Jahre auftreten wird, und bis Ende des Jahrhunderts nahezu jedes Jahr zu erwarten sein wird“, sagt er. Die veränderten Wetterverhältnisse machen den Farmern enorm zu schaffen – und damit auch den Versicherern und Rückversicherern.

Allein die Munich Re, Weltmarktführer in der Rückversicherung, hat 160 Mio. Euro für Ernteausfallschäden in Nordamerika zurückgestellt. Das Unternehmen erzielt in der Agrarversicherung rund 70 Prozent der Prämieneinnahmen in den USA. Die aktuelle Dürre verursacht den bislang größten Schaden in diesem Segment. Trotzdem werden die Prämien für die Deckung nicht sprunghaft explodieren. „In den USA gibt es für die Prämienanpassung einen Automatismus“, sagt Höppe. Bei der jährlichen Neuberechnung der Beiträge ermitteln die Anbieter die Schäden der vergangenen zehn Jahre und legen auf dieser Grundlage die Höhe der Prämien fest. Dennoch sieht Munich Re die Sparte als hochlukrativ an und baut sie gezielt aus.

Der nordamerikanische Kontinent wird sehr viel stärker von extremen Wetterveränderungen gebeutelt als Europa. Nicht nur Dürreperioden häufen sich, auch gewitterbedingte Ereignisse wie Tornados, Starkregen und Hagel nehmen stark zu. „In den USA ist die Häufigkeit schadenrelevanter Wetterereignisse in den letzten 30 Jahren um den Faktor 4,5 gestiegen, in Europa um weniger als den Faktor zwei“, sagt Höppe.

Noch ist das Problembewusstsein in der US-amerikanischen Öffentlichkeit für die damit verbundenen Gefahren nicht sehr ausgeprägt. Munich Re versucht, bei den Erstversicherern Interesse für Präventionsmaßnahmen zu wecken. Die wiederum können auf ihre Kunden Einfluss nehmen. Bauern sind Hitze nicht hilflos ausgeliefert. Sie können Bewässerungssysteme für Felder einrichten oder bestehende optimieren. Oder sie bauen Pflanzen an, die wenig Wasser brauchen.

In den USA trägt der Staat einen Teil der Kosten für die Agrarversicherung – so wird das Risiko Dürre überhaupt versicherbar. Das ist auch in vielen europäischen Ländern der Fall, in Deutschland aber nicht. Dabei werden auch hier extreme Wetterereignisse für Bauern immer mehr zum Problem. „Der Praktiker vor Ort sieht, dass nichts mehr so ist, wie es war“, sagt Michael Lohse vom Deutschen Bauernverband. Den Landwirten macht unter anderem Frühsommertrockenheit zu schaffen. Gerade in dieser Zeit brauchen Pflanzen Wasser. Auch wenn der aktuelle Sommer verregnet ist, sind Hitzeperioden wie im Sommer 2003 in Deutschland so selten nicht. Doch dagegen können sich deutsche Landwirte nicht versichern.

Steuer verteuert PoliceTraditionell stark verbreitet ist die Hagelversicherung. „In Deutschland gibt es elf Millionen Hektar Agrarland, davon sind acht Millionen gegen Hagel versichert“, sagt Rainer Langner, Chef der Vereinigte Hagel, dem Marktführer im Bereich Agrarversicherung. Mit der sogenannten Mehrgefahrendeckung können sich Bauern seit wenigen Jahren gegen Überschwemmungen, Starkregen, Frost und andere Wettererscheinungen versichern. Das ist aber teuer. „Weniger als zehn Prozent der Fläche sind mit einer Mehrgefahrendeckung abgesichert“, sagt Langner. Großes Problem für Anbieter und Bauern: Der Staat nimmt 19 Prozent Versicherungssteuer auf die Prämie. Die Hagelversicherung wird nur mit 0,2 Promille der Versicherungssumme besteuert, aber als Teil der Mehrgefahrendeckung werden auch dafür 19 Prozent fällig. Nicht inbegriffen ist eine Deckung gegen Trockenheit. „Dürre ist ein Kumulrisiko“, sagt Langner. Denn eine Hitzewelle trifft nicht einzelne, sondern alle Landwirte einer Region. Der Versicherer hätte einen enormen Schaden. „Die Rückversicherung für Dürre-Deckungen ist sehr teuer“, sagt Langner. In Litauen bietet die Vereinigte Hagel die Dürre-Deckung an. „Dort tritt der Staat als Rückversicherer auf“, sagt er.

Ein Anbieter wagt sich neuerdings an das heikle Risiko, allerdings mit äußerster Vorsicht. Die Münchener & Magdeburger Agrarversicherung hat ein Pilotprojekt gestartet. Das Unternehmen gehört mehreren Versicherern, darunter sind der Assekuranz-Riese Allianz und die Generali. „Die Dürre ist ein Allmählichkeitsschaden. Das macht die Schadenermittlung schwierig“, sagt Vorstandschef Joachim Crönlein. Denn es müsse ermittelt werden, ob der Schaden zum Teil oder ganz mit der extremen Hitze zusammenhängt. Dazu will der Versicherer mit 20 bis 30 Kunden Erfahrungen sammeln. Auf dem Markt erhältlich ist die Deckung aber nicht, betont Crönlein: „Wir kriegen für diesen Bereich fast keine Rückversicherung.“

Quelle: Financial Times Deutschland

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