Wenn aus 100 plötzlich 68 Prozent werden

Zusatzversicherungen für alternative Heilmethoden gibt es meist nur im Paketmit konventionellen Leistungen. Vergleiche sind schwierig

Jonas Tauber

Jonas Tauber

Wenn die Schulmedizin nicht hilft, suchen viele Patienten Heilung durch alternative Behandlungen. Die gesetzlichen Kassen kommen aber nur selten dafür auf, Heilpraktikerleistungen sind generell ausgeschlossen. Wer die Rechnung nicht aus der eigenen Tasche bezahlen will, kann eine private Zusatzversicherung abschließen.

Das Angebot an Zusatzpolicen für Heilpraktikerleistungen und alternative Behandlungen durch Ärzte ist unübersichtlich, und Vergleiche sind deshalb schwierig. „Die Verträge kommen meist im Paket mit anderen Leistungen und unterscheiden sich stark hinsichtlich der Preise und der Inhalte“, sagt Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Ich empfehle Interessenten, dass sie zuerst genau definieren, was sie von der Zusatzversicherung erwarten, und dann die Angebote vergleichen.“

Typische Zusatzleistungen in solchen Paketen sind Zuzahlungen zur Brille oder ein Auslandskrankenschutz. Die Paketlösung soll verhindern, dass sich nur Kunden für den Schutz entscheiden, die bereits wissen, dass sie ihn oft in Anspruch nehmen wollen. „Reine“ Heilpraktikerverträge gibt es nur eine Handvoll auf dem deutschen Markt, dazu gehören Angebote der Versicherer SDK und Gothaer.

Bei den Konditionen sollten Verbraucher ganz genau hinsehen. Die Policen versprechen die Erstattung von 50 Prozent bis 100 Prozent der Heilpraktikerrechnung. Doch Vorsicht: Der angegebene Prozentsatz bezieht sich auf das Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker (GebüH), das nicht bindend ist. Tatsächlich berechnen die Therapeuten in der Regel mehr – mit dem Argument, dass das GebüH seit den 80er-Jahren nicht angepasst wurde.

Beispiel Akupunkturtherapie: Die Höchstsätze des GebüH sehen für Erstuntersuchung, Beratung und zwölf Sitzungen insgesamt 354 Euro vor. Tatsächlich fällt die Rechnung aber deutlich höher aus, sagt Dieter Siewertsen, Vorsitzender des Verbands Freie Heilpraktiker: „Für diese Behandlung ist in Großstädten ein durchschnittlicher Rechnungsbetrag von 520 Euro realistisch.“ Das heißt: Eine Police, die 100 Prozent Erstattung verspricht, würde effektiv nur 68 Prozent tragen.

Dazu kommt, dass die Verträge einen jährlichen Höchstbetrag zur Erstattung vorsehen, typischerweise zwischen 500 und 3000 Euro. Oft sind die Leistungen im ersten oder sogar zweiten Jahr nach Abschluss der Police noch einmal auf eine deutlich geringere Summe begrenzt. Der Preis der Absicherung hängt vom Alter und vom Geschlecht ab: Eine 43-Jährige müsste derzeit für eine Police mit einer Erstattung von mindestens 80 Prozent zwischen 13 Euro und 25 Euro monatlich bezahlen. Für einen gleichaltrigen Mann kostet sie zwischen 6 Euro und 16 Euro.

Für Privatpatienten eignen sich die Paketlösungen generell nicht, sagt ein Sprecher des Versicherers Continentale. Der Grund: Da die übliche private Vollversicherung mehr leistet als der gesetzliche Schutz, entstehen zwangsläufig Doppeldeckungen. „Man kann interessierten Privatpatienten nur raten, von vornherein einen Vollversicherungstarif auszuwählen, der die gewünschten Behandlungen abdeckt“, sagt der Sprecher. Bei der Continentale dürfen „aus Abrechnungsgründen“ nur gesetzlich Versicherte den Zusatzschutz kaufen.

Die Policen decken nicht zwangsläufig auch alternative Behandlungen durch Ärzte. Das sei vielen Verbrauchern nicht klar, sagt Cornelia Bajic, Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte. „Viele Patienten glauben, dass die Versicherung für den Besuch beim Homöopathen aufkommt, und stehen dann mit einem Vertrag da, den sie gar nicht gebrauchen können“, sagt sie. Versicherer bezahlen für die Behandlung beim Mediziner, wenn Verträge die Erstattung nach der Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ) vorsehen.

Nicht jeder Interessent bekommt den gewünschten Schutz. „Viele Anfragen werden wegen Vorerkrankungen abgelehnt“, berichtet der Versicherungsmakler Leonhard Eder. Interessenten sollten die Gesundheitsfragen aber auf jeden Fall korrekt beantworten: Wenn Verbraucher Krankheiten verschweigen, zahlt der Versicherer im Schadenfall nicht. „Weil Versicherer sich bei der Krankenkasse, dem Arzt und dem Heilpraktiker informieren dürfen, entlarven sie falsche Angaben auf jeden Fall“, warnt Eder.

Vor dem Abschluss einer Zusatzversicherung lohnt sich eine Anfrage bei der Kasse, ob sie für die gewünschten Behandlungen leistet. Generell ausgeschlossen sind nur Verfahren, die als nicht wirksam gelten und auf der Negativliste des Gemeinsamen Bundesausschusses aufgeführt sind. Die Akupunktur beim Arzt dagegen gehört als Therapie chronischer Knieschmerzen und chronischer Schmerzen der Lendenwirbelsäule inzwischen zum GKV-Leistungskatalog.

Quelle: Financial Times Deutschland

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