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Allianz bei Dresdner kurz vor dem Ziel

Posted By Herbert Fromme On 12. Juli 2001 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Konzernspitze erwartet reiche Ernte im Altersvorsorgemarkt-Risiken der Bankübernahme kein Thema. Von Herbert Fromme, München

Zwei Tage vor Ablauf der Angebotsfrist für Dresdner-Bank-Aktionäre am Freitag gibt die Allianz noch einmal Gas. Vorstandsmitglied Henning Schulte-Noelle nutzte die Hauptversammlung des Unternehmens, um ein leidenschaftliches Plädoyer für die Übernahme der Bank durch sein Unternehmen zu halten. Finanzchef Paul Achleitner überraschte mit der Ankündigung, dass die Allianz auf einen wichtigen Vorbehalt im Übernahmeangebot verzichtet. Bisher hatte sie erklärt, sie werde die Transaktion erst nach Freigabe durch die EU-Kommission abwickeln. Doch die Zustimmung aus Brüssel verzögert sich. Jetzt wird das Übernahmeangebot – wenn die Allianz mehr als 50 Prozent erzielt – auf jeden Fall zum 23. Juli börsentechnisch abgewickelt, sagte Achleitner.

Es gibt kaum Zweifel, dass die Allianz die Mehrheit der Dresdner-Bank-Aktien erwerben wird. Mit der bisherigen Akzeptanz sei er sehr zufrieden, sagte Achleitner, wollte aber keine Zahl nennen. „Erfahrungsgemäß nehmen viele Aktionäre, vor allem institutionelle Investoren, erst kurz vor Schluss das Angebot an.“

Achleitner befürchtet keinerlei Probleme mit Brüssel. Die Verschiebung der Entscheidung habe technische Gründe. Die Bedingungen seien klar: „Die EU-Kommission wollte die Zusage, dass die Münchener Rück und die Allianz die Anteile aneinander auf jeweils 20 Prozent reduzieren.“ Das geschehe ohnehin im Rahmen bestehender Vereinbarungen. Es werde keine weiteren Auflagen geben, auch nicht – wie spekuliert wurde – im Bereich betriebliche Altersvorsorge.

In den nächsten Monaten will Schulte-Noelle das hohe Tempo beibehalten. Schon zum 1. August läuft das langjährige Vertriebsabkommen mit der HypoVereinsbank aus. Stattdessen verkauft die Allianz ihre Policen bundesweit über die Dresdner Bank. Ab Herbst sollen 1000 Versicherungsberater in den Bankfilialen postiert werden, der Verkauf von Lebensversicherungen über die Dresdner-Schalter werde „konservativ gerechnet“ verdreifacht.

Schulte-Noelle verteidigte in seiner Rede die Fusion und seinen Sinneswandel – er hatte jahrelang gegen die Übernahme einer Bank durch die Allianz plädiert. „In Deutschland entsteht ein völlig neuer Markt für die Altersvorsorge“, sagte er. Gemeinsam mit der Dresdner Bank könne der Konzern eine reiche Ernte einfahren.

„Hier dominieren eindeutig die Banken, 72 Prozent des deutschen Fondsmarktes und 92 Prozent des Aktienmarktes werden über Kreditinstitute abgewickelt.“ Die einfache Kooperation reiche da nicht. Wenn die Allianz das attraktive Geschäftsfeld der Fonds und Aktien in großem Stil bedienen und zügig an die Spitze wolle, brauche sie den „vollen Zugriff auf die Bankfilialen“. Auch die Ertragspotenziale könnten nur über einen Zusammenschluss genutzt werden – 85 Prozent des Ertrags bei fondsgebundenen Lebensversicherungen verblieben bei der Bank, nur 15 Prozent beim Versicherer. Schließlich könne auch nur der Zusammenschluss die volle Flexibilität der Verkaufskanäle sicherstellen.

Schulte-Noelle sieht die Dresdner Bank offenbar vor allem als Vertriebsweg für Lebensversicherungen und Fondsfabrik. Kein Wort zu den durchaus risikobehafteten anderen Aktivitäten einer Großbank. Bei einer solchen eindimensionalen Betrachtung blieb kein Platz auch nur für die Erwähnung von möglichen Problemen. Es blieb Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz vorbehalten, bei genereller Zustimmung zur Fusion darauf hinzuweisen, dass die Übernahme einer Bank für den Versicherer Allianz Risiken bergen könnte.

Die Übernahme der Bank dominierte die Hauptversammlung. Doch kamen auch einige andere Baustellen des Münchener Konzerns zur Sprache. In den USA möchte die Allianz ihre Position in der Lebensversicherung gerne verstärken, hat aber noch keinen passenden Kandidaten zum richtigen Preis gefunden. Völlig unzufrieden ist sie mit ihrer US-Tochter Fireman’s Fund, deren Gewinn von 376 Mio. Euro in 1999 auf 40 Mio. Euro einbrach. Schuld sei vor allem der defizitäre Markt mit Arbeiterunfallversicherungen in Kalifornien, so Vorstand Herbert Hansmeyer. Er kündigte eine Überprüfung der Strategie mit Hilfe von Beratern an, Konsequenzen im Topmanagement habe es schon gegeben.

Auch die weltweite Industrieversicherung läuft unschön – jetzt zentralisiert der Konzern das Geschäft in der Allianz Global Risks.

Quelle: Financial Times Deutschland


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