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DKV wächst in schwierigem Umfeld

Posted By Herbert Fromme On 27. Februar 2002 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Marktführer bei der privaten Krankenversicherung bietet neue Produkte · Kapitalmarktturbulenzen wirken negativ

Von Herbert Fromme und Ilse Schlingensiepen, Köln Jan Boetius, Chef der größten privaten Krankenversicherung in Deutschland, bewegt sich auf schwierigem Terrain. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenversicherung (DKV) soll seinem Aktionär Münchener Rück ein gutes Jahresergebnis abliefern. Er muss sich gleichzeitig in der durch den Wahlkamp zusätzlich politisch geladenen Atmosphäre des Gesundheitswesens bewegen.

Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen trifft auch die privaten Krankenversicherer, aber bei den Beiträgen wollen sie moderat bleiben, um Neukunden nicht abzuschrecken – in Zeiten turbulenter Aktienmärkte keine leichte Aufgabe.

Boetius reagiert auf die Herausforderung in für ihn typischer Manier – mit Angriff. Gegen Überlegungen der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, die Beitragsbemessungsgrenze drastisch zu erhöhen, kündigt er heftigen politischen und juristischen Widerstand an. Beschäftigte mit Einkommen unterhalb dieser Grenze von 3375 Euro im Monat müssen sich in den gesetzlichen Kassen versichern, würde sie erhöht, wäre die Kundenbasis der Privaten kleiner. „Schon einmal hat eine Regierung die Wahlen über die Gesundheitspolitik verloren“, drohte Boetius.

Für die DKV steht viel auf dem Spiel. Das Unternehmen gehört zu den älteren privaten Krankenversicherern, die jährlich viele Neukunden brauchen, um Todesfälle unter den Kunden auszugleichen. Eine höhere Beitragsbemessungsgrenze würde diese Aufgabe deutlich erschweren. So musste die DKV im vergangenen Jahr 10,9 Prozent der Beiträge für Provisionen und andere Verkaufskosten ausgeben, nach 9,4 Prozent im Vorjahr. Damit wurde der Bestand an voll privat Versicherten gerade um 1,6 Prozent oder 12 457 gesteigert. Dazu kommen Verwaltungskosten von 4,4 Prozent nach 4,3 Prozent und Schadenabwicklungskosten, die er nicht nennen wollte.

Die DKV verbuchte 2001 in Deutschland einen Zuwachs der Prämieneinnahmen um 2,4 Prozent auf 3,0 Mrd. Euro, aber die Leistungsausgaben stiegen um 6,6 Prozent auf 1,9 Mrd. Euro. Das Unternehmen setzte 456 Mio. Euro so genannte Limitierungsmittel ein, um Beitragserhöhungen zum Januar 2001 auf durchschnittlich 1,6 Prozent und in diesem Jahr auf 1,2 Prozent zu begrenzen.

Möglich sind solche Ausgleichsoperationen wegen der hohen Kapitalanlagen von 13,9 Mrd. Euro, die das Unternehmen auch als Alterungsrückstellung aufbaut. Die Börsenkrise hinterließ auch bei der DKV Spuren. Die Nettoverzinsung ging von 8,0 Prozent auf 7,1 Prozent zurück, die stillen Reserven von 29 Prozent des Anlagekapitals auf 17 Prozent. Dabei nutzte das Unternehmen die neue Möglichkeit, Wertverluste bei Aktien nicht sofort abzuschreiben und hat jetzt „stille Lasten“ von 76 Mio. Euro. Der Gewinn, der vollständig an die Ergo-Zwischenholding der Münchener Rück abgeführt wird, sank von 72 Mio. Euro auf 65 Mio. Euro.

Boetius gibt die Richtung vor: „Mit attraktiven Produktangeboten und wettbewerbsfähigen Prämien wollen wir neue Kundenpotenziale erreichen und die Basis für weiteres Wachstum schaffen.“ Mit einem neuen Zusatzprodukt garantiert die DKV Versicherten künftig bei schweren Krankheiten den schnellen Zugang zu medizinischen Top-Spezialisten. Die „Best Care“-Kunden erhalten innerhalb von fünf Tagen einen Untersuchungstermin bei den Koryphäen, das kostet sie 12 Euro bis 17 Euro im Monat.

Die DKV setzt auch auf den Ausbau ihres Gesundheitsmanagements. Ziel sei die Verbesserung der Versorgungsqualität, ohne damit die Kosten in die Höhe zu treiben. „Das geht nur, wenn wir uns als Versicherer selbst im Gesundheitsmanagement engagieren, als Organisator und Koordinator der Versorgung“, sagte er.

Für Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) bietet die DKV ab dem Frühjahr einen Tarif für ambulante Operationen an, der ihnen die Kostenübernahme vollständig und ohne Vorleistung der GKV garantiert. Schließlich würden viele GKV-Patienten unnötigerweise in Krankenhäusern behandelt, weil die GKV-Honorare für ambulante Operationen nicht ausreichen, sagte der DKV-Chef.

Die Entwicklung hin zu einer Herausnahme von Leistungen aus dem GKV Katalog zeichne sich klar ab, sagte Vorstand Günter Dibbern. „Die Entwicklung zu einem zweiten Gesundheitsmarkt ist nicht mehr aufzuhalten, und darauf bereiten wir uns vor.“

Bild(er):

Jan Boetius, Chef der Deutschen Krankenversicherung, wehrt sich gegen eine Verschlechterung der politischen Rahmenbedingungen – Rainer Unkel.

Quelle: Financial Times Deutschland


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