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Versicherer lassen Spediteure abblitzen

Posted By Herbert Fromme On 9. Oktober 2002 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Assekuranz will weiterhin keine Deckung nach dem bisherigen Modell geben “ Transportsparte tief im Defizit

Von Herbert Fromme, Hamburg Im Streit zwischen Spediteuren und Transportversicherern um die Abdeckung von Ladungsschäden gibt es noch keine Entspannung. „So wie die Positionen jetzt sind, stehen wir Ende des Jahres vor einer Unversicherbarkeit“, sagte Franz-Rudolf Golling, Vorsitzender des Fachausschusses Transport im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Allerdings werde es in den nächsten Wochen noch Gespräche geben, sagte Golling, der Vorstandsmitglied der Württembergischen und Badischen Versicherung ist. Er hofft weiter auf eine Lösung.

Streitpunkt ist die Ziffer 29 der Allgemeinen Deutschen Speditionsbedingungen (ADSp). Sie regelt eine quasi automatische Schadensversicherung als Teil der Spediteurshaftpflicht. Alle Spediteure haften für Schäden an Gütern, die sie transportieren – allerdings nur bis zu engen Obergrenzen pro Kilo. Dafür müssen sie sich versichern. Gleichzeitig bieten sie bisher ihren eigenen Kunden als Vermittler eine Schadensversicherung an: Sollten die Güter ohne Verschulden des Spediteurs beschädigt werden oder der Schaden über die Begrenzung hinausgehen, sind sie dann trotzdem versichert. Das Angebot ist bindender Bestandteil der Spediteurbedingungen.

Die Versicherer wollen die Ziffer 29 abgeschafft sehen. Der Bundesverband Spedition und Logistik fürchtet, dass dann das ganze mit den Spitzenverbänden von Industrie und Gewerbe ausgehandelte Bedingungswerk in Frage gestellt wird und sie bei jedem Transportauftrag individuelle Bedingungen vereinbaren müssen. Außerdem wären deutlich höhere Prämien fällig.

„Wir haben in der Speditionsversicherung Schadensquoten bis zu 180 Prozent“, sagte Golling – die Schadenszahlungen liegen um 80 Prozent über den Beitragseinnahmen. Dazu kommen noch 30 Prozent Kosten. Deshalb habe der GDV ein alternatives Versicherungskonzept erarbeitet, das flexiblere Deckungen ermögliche. „Unsere Ergebnisse und die allgemeine wirtschaftliche Lage zwingen die Transportversicherer zur Umkehr und zu spürbaren Maßnahmen“, sagte Golling. Das gelte nicht nur für die Spediteursversicherung.

Als Teil der Maßnahmen hat der GDV die allgemeinen Bedingungen für die Güterversicherung so geändert, dass die Kunden sehr viel mehr Transparenz über den Transportablauf schaffen müssen. Vor allem lange Lagerzeiten mit fortdauernder Haftung der Transportversicherung sind ihnen ein Dorn im Auge.

Das Hochwasser im August kostete die Unternehmen einen „dreistelligen Millionenbetrag“, das meiste davon aus weggespülten Speditionslägern und verrotteten Neuwagen, die schutzlos bei Händlern oder in Zwischenlägern standen.

Die Transportversicherer nahmen im letzten Jahr insgesamt 1,75 Mrd. Euro ein, 6,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei fuhren sie erneut tiefrote Ergebnisse ein. Golling kündigte deutliche Preissteigerungen an. „Wir sind nach hohen Verlusten in den letzten Jahren auch 2002 noch weit entfernt von einem ertragreichen Verlauf“, sagte er.

Transportversicherer decken alle Arten von Waren auf dem Weg von A nach B ab, sie versichern Schiffe, Reisegepäck und Geldtransporte. Auch die Juwelierversicherung und Filmrisiken gehören zu dieser Sparte. Marktführer sei die Axa, gefolgt von der Allianz, der Europäischen Reiseversicherung, Gerling und Zurich Financial, sagte Golling.

In der mit weniger als 40 Mio. Euro Beitrag eher kleinen Bereich Juwelierversicherung ist die Mannheimer führend. Vorstand Lothar Stöckbauer beklagte den Trend zu gewalttätigen Überfällen auf die Uhren-und Schmuckgeschäfte. Von Januar bis September registrierten die Versicherer 80 Überfälle mit 12 Mio. Euro Schaden. Bei 19 Angriffen rammten Räuber mit Pkw Türen oder Fenster und räumten dann die Schaufenster leer. „In einem Fall wurde die herunterfahrbare Laderampe eines Lkw benutzt, um ein sehr stabiles Fenster einfach auszuhebeln.“

Stöckbauer verlangte verstärkte Sicherungen, zum Beispiel Eingangsschleusen. Die Juweliere sollten die Auslagen auch am Tag verringern und, wo möglich, Poller oder Blumenkübel vor den Läden platzieren.

Bild(er):

Lkw auf der Autobahnraststätte Wetterau an der A 5. Die Assekuranz will die Versicherungsdeckung der Speditionen drastisch ändern – Bildfolio/Bert Bostelmann.

Quelle: Financial Times Deutschland


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