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Versicherer stecken weltweit in der Krise

Posted By Herbert Fromme On 5. Dezember 2002 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Hohe Schäden und Kapitalmarktturbulenzen drücken die Gewinne “ Niedrigstes Wachstum seit 1980

Von Herbert Fromme, Köln Trotz steigender Preise bleiben die Gewinne der Versicherer und Rückversicherer weltweit auch 2002 unter Druck. Dafür sorgt die schwierige Lage an den Kapitalmärkten. Gleichzeitig schrumpft das Eigenkapital der Branche drastisch, stellte die Swiss Re gestern in ihrer jährlichen Übersicht über die globale Versicherungswirtschaft fest.

„Deutliche Prämienerhöhungen dürften die missliche Lage der Nichtlebensversicherer entschärfen, als gut kann sie jedoch noch nicht bezeichnet werden“, erklärten die Analysten des zweitgrößten Rückversicherers der Welt. Auch die Lebensversicherung bewege sich trotz Anzeichen steigender Prämieneinnahmen in schwierigem Umfeld.

Die katastrophalen Auswirkungen der Mischung aus hohen Schäden, einschließlich des World Trade Center (WTC), das allein rund 40 Mrd. $ kostete, der wirtschaftlichen Krise und den zusammenbrechenden Börsen spürte die Branche schon 2001 deutlich. „Für viele Unternehmen war es das schlimmste Jahr ihrer Geschichte“, erklärten die Analysten um Thomas Hess, Chef der Research-Abteilung der Swiss Re.

Mäßiger Prämienzuwachs

Auch die Wachstumszahlen konnten nicht beruhigen. Weltweit stiegen die Prämieneinnahmen der Assekuranz im Jahr 2001 nur um ein Prozent auf 2408 Mrd. $, dem niedrigsten Zuwachs seit 1980. Im Jahr 2000 waren die Einnahmen noch um 6,8 Prozent nach oben geklettert. Für die Lebensversicherer ermittelten die Swiss-Re-Analysten sogar einen Rückgang bei den Einnahmen um 1,8 Prozent auf 1439 Mrd. $, während die Nichtlebensparten einschließlich der privaten Krankenversicherung einen Zuwachs von 5,4 Prozent auf 969 Mrd. $ verbuchten.

„Die Boomjahre in der Lebensversicherung gehören vorerst der Vergangenheit an“, hieß es. Besonders in den Industrieländern stockt das Wachstum wegen Börsen-und Konjunkturflaute. Renten-und Pensionsprodukte profitieren zwar vom Umbau der unzulänglichen staatlichen Altersvorsorge. Aber die Euphorie für fondsgebundene Produkte, bei denen der Versicherte das Anlagerisiko trägt, ist wegen der Börsenkrise deutlich gebremst. Gleichwohl waren sie in wichtigen Märkten wie den USA, Großbritannien, Frankreich und Italien die Wachstumsträger.

In den westeuropäischen Industrieländern sind die Lebensversicherer denn auch von dem negativen Trend besonders betroffen. Dafür sorgen vier Faktoren: Sie halten hohe Anteile der Kapitalanlagen in Aktien, Policen mit garantierten Renditen haben einen beträchtlichen Marktanteil, der dort garantierte Zins ist vergleichsweise hoch, und die Märkte sind gesättigt.

Im Jahr 2002 erholen sich zwar die Prämieneinnahmen der Lebensversicherer. Aber ihre Probleme verschärfen sich eher, da die Zinsen anhaltend niedrig sind und Aktien weiter an Wert verloren haben. Dazu drohen Abschreibungen auf Industrieanleihen. „Lebensversicherer sind somit immer öfter selbst von einer Rückstufung ihrer Bonität durch Rating-Agenturen bedroht“, heißt es.

Vereinzelt hätten sie sogar Probleme, die staatlich festgelegten Regeln für die Mindestausstattung an Eigenkapital, die so genannten Solvabilitätsvorschriften, zu erfüllen. Die Konsequenz: Sie müssen ihre Überschussbeteiligungen kürzen, um überhaupt ihren Verpflichtungen weiterhin nachkommen zu können.

Katastrophen und Altlasten

In der Nichtlebenversicherung kam es 2001 trotz Prämienzuwachs zu schlechten Ergebnissen. Zwar wurde die Wende im Preiszyklus ein-geläutet, und auf breiter Front zogen die Prämien im Industrie-und Gewerbegeschäft an. Aber die technischen Ergebnisse – die Resultate der eigentlichen Versicherungstätigkeit – blieben trotzdem ungenügend. Die Unternehmen mussten für Großschäden wie WTC, Stürme, Großfeuer und andere Katastrophen zahlen und gleichzeitig hohe Summen für Altlasten aus früheren Jahren aufbringen, etwa die Asbestschäden. Der schwache Kapitalmarkt bietet keinen Ausgleich mehr.

Ein Ende des Elends ist nur mittelfristig abzusehen. „Die Phase unterdurchschnittlicher Ergebnisse setzt sich aller Voraussicht nach im Jahr 2002 fort“, glauben die Analysten. „Zwar verbessern die Preissteigerungen die technischen Ergebnisse auf breiter Front, die Anlageerträge sind aber noch immer gering.“ Deshalb werde die Phase des harten Markts mit steigenden Preisen in den kommenden Jahren anhalten.

Gute Zahlen sind lebenswichtig für eine Branche, deren Kapitalbasis schwer angegriffen ist: Allein durch Verluste auf Aktienanlagen dürfte zwischen Ende 2000 und September 2002 in der Nichtlebenversicherung und Rückversicherung Eigenkapital von 140 Mrd. $ vernichtet worden sein, schätzen Hess und Kollegen. Dazu kommt der WTC-Schaden. „Insgesamt belaufen sich die Verluste auf etwa 25 Prozent des Eigenkapitals der Sparte.“

Bild(er):

Der vor der galicischen Küste inzwischen gesunkene Tanker „Prestige“. Solche und andere Schadensfälle verhageln den Versicherern die Bilanzen – Reuters.

Quelle: Financial Times Deutschland


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