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Essener Kliniken locken ausländische Privatpatienten

Posted By Ilse Schlingensiepen On 11. Februar 2003 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Selbstzahler gleichen die sinkenden Einnahmen aus dem Kassengeschäft aus “ Fachliche Qualität weit über die Region hinaus geschätzt

Von Ilse Schlingensiepen Essen entwickelt sich zu einem Touristenzentrum der besonderen Art: Der Hinweis der Stadt auf das breite Angebot medizinischer Versorgung soll verstärkt Menschen aus dem In-und Ausland zur Behandlung nach Essen locken. Schon jetzt versorgen die Kliniken einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Patienten, die nicht aus der Region stammen.

Ende Januar präsentierte sich Essen zum ersten Mal auf der Messe „Arab Health“ in Dubai. „Das Engagement hat sich gelohnt“, berichtet Winfried Book, Moderator des Essener Arbeitskreises „Essen forscht und heilt“, ein Zusammenschluss verschiedener Akteure des Gesundheitswesens in Essen.

„In den arabischen Ländern gibt es gerade jetzt ein sehr großes Interesse an deutscher Medizin“, sagt Book. Arabische Patienten fuhren früher in großer Zahl zur Behandlung in die Vereinigten Staaten. Seit den Terroranschlägen auf New York und Washington am 11. September 2001 ist dieser Patientenstrom nahezu versiegt, die Araber orientieren sich neu und schauen dabei verstärkt nach Deutschland. „Wir haben in Dubai viele gute Kontakte geknüpft“, sagt Book.

Um für ausländische Patienten attraktiver zu werden, wollen die Kliniken in Essen auf lange Sicht ein so genanntes Host-System aufbauen. Die Krankenhäuser sichern nicht nur die medizinische Behandlung, sondern kümmern sich auch darum, die Patienten aus ihrem Heimatland abzuholen und sie wieder zurückzubringen.

Attraktiv sind die ausländischen Patienten vor allem, weil sie in der Regel als Privatpatienten selbst für die Kosten aufkommen. „Das ist eine gute Kompensation für die im öffentlichen Gesundheitswesen in Deutschland rückläufigen Einnahmen“, betont Book. Ähnliches gilt auch für den Ausbau von Angeboten in der Gesundheitsvorsorge und der Gesundheitsförderung. So entwickeln einige Kliniken spezielle aufwendige Check-up-Programme für Manager.

Das Gesundheitswesen ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Essen. Nach Angaben von Book gibt es in diesem Bereich 28 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Etwa ebenso viele Stellen gibt es in den Zulieferbetrieben. „Die Medizin ist der größte Arbeitgeber in Essen“, sagt Book.

Nach seiner Ansicht hat Essen exzellente Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, um sich als Gesundheitsstandort zu positionieren. Dazu zählen zum einen Angebote der Spitzenmedizin, denn in Essen arbeitet eine große Zahl von Ärzten, die in ihren jeweiligen Fachgebieten weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt sind. Zum anderen haben in Essen früher als in vielen anderen Regionen Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte gemeinsame Konzepte zur Bekämpfung bestimmter Krankheiten entwickelt. So gibt es spezielle Netzwerke zur Versorgung von Diabetikern und von Patienten mit Krebs sowie den „Essener Schlaganfallverbund“. Eine Besonderheit ist auch das Modell „Integrative Medizin“: Dort kombinieren Ärzte des Knappschaftskrankenhauses Methoden der Schulmedizin und der Naturheilkunde.

Pro Jahr finden in der Stadt mehr als 600 medizinische Veranstaltungen statt, darunter viele Fortbildungen für Ärzte. Hinzu kommen rund 30 Tagungen und Kongresse.

Das Zusammentreffen der verschiedenen Faktoren macht die Ruhrgebiets-Metropole auch für Unternehmen aus der Gesundheitsbranche interessant. In der Medizintechnik sind hier 25 produzierende Unternehmen angesiedelt, 29 sind in Vertrieb und Handel aktiv. Nach Books Einschätzung profitiert die Stadt von einem Wechselspiel zwischen Wirtschaft und medizinischer Spitzenwissenschaft, das es in anderen Städten so nicht gibt. „Ohne namhafte Stiftungen und Unternehmen wäre vieles von dem nicht möglich, was heute in Essen läuft.“

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Gesundheitsstandort Essen sei auch das eingespielte Miteinander der verschiedenen Beteiligten im Gesundheitswesen, sagt Rudolf Hartwig, Direktor des Alfried-Krupp-Krankenhauses. „In Essen ist das Klima atypisch gut, es gibt wenig Berührungsängste zwischen den Institutionen.“ Trotz des Wettbewerbs, der zwischen den Krankenhäusern besteht, arbeiten sie inzwischen in einzelnen Punkten zusammen oder stimmen ihre Angebote ab. Das gilt auch für die Kontakte zu den niedergelassenen Ärzten. „Wir haben alle etwas davon, wenn sich herumspricht, dass es in Essen exzellente Angebote für alle gesundheitlichen Probleme gibt.“

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt Essen bereits zu den führenden Medizinmetropolen der Welt. Die WHO sieht die Stadt als medizinischen Mittelpunkt des Ruhrgebiets an, denn nach ihren Daten versorgt Essen insgesamt 4,7 Millionen Menschen.

Zitat:

„In den arabischen Ländern gibt es gerade jetzt ein sehr großes Interesse an deutscher Medizin“ – Winfried Book, Moderator des Arbeitskreises „Essen forscht und heilt“

Bild(er):

Im Operativen Zentrum des Klinikums Essen wurde schon Bundespräsident Johannes Rau operiert. Die Stadt bietet ihre hoch technisierte und angesehene medizinische Versorgung sogar zahlungskräftigen Kranken im Ausland an – Das Fotoarchiv/Joerg Meyer (2).

Quelle: Financial Times Deutschland


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