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Lipobay-Kläger erhöhen Forderungen

Posted By Herbert Fromme On 28. Februar 2003 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Texanischer Anwalt will außer Schadensersatz 500 Mio. Dollar Strafe für Bayer

Von Herbert Fromme und Klaus Max Smolka, Frankfurt Im ersten Prozess um das Cholesterinsenkungsmedikament Lipobay hat der Kläger gegen den Chemie-und Pharmakonzern Bayer die Schadensersatzforderung erhöht. Klägeranwalt Mikal Watts wolle nun über den materiellen Schadensersatz hinaus in dem Verfahren 500 Mio. $ Strafschadensersatz beantragen, sagte er der Zeitschrift „Euro am Sonntag“ Bisher forderte Watts 100 Mio. $ „Punitive Damages“. Die Pharmaindustrie bringt inzwischen erneut Überlegungen über den Aufbau eines eigenen Produkthaftpflichtversicherers ins Spiel.

Bayer hatte Lipobay 2001 wegen Verdachts tödlicher Nebenwirkungen zurückgerufen. Bis heute werden 100 Todesfälle mit dem Mittel in Verbindung gebracht. Im texanischen Corpus Christi klagt seit voriger Woche ein 82-Jähriger auf Schadensersatz. Die Aktie verlor diese Woche dramatisch. Bis zum Abend erholte sie sich gestern um 6,3 Prozent auf 12,40 Euro.

Das Verfahren in Texas ist als Präzedenzfall äußerst bedeutsam und könnte Maßstäbe für die folgenden Prozesse liefern. Im Minnesota versuchen Betroffene, eine Sammelklage gegen Bayer zu erreichen.

Überlegungen über eine brancheneigene Produkthaftpflichtversicherung würden derzeit diskutiert, seien aber noch in einem sehr frühen Stadium, sagte Patrick Schwarz-Schütte, Chef der Schwarz Pharma.

Dem Vorschlag räumen Experten zwar wenig Chancen ein. Die Industrie müsste mit einem gewaltigen Kapitalaufwand einen Versicherer finanzieren, billiger würde es dadurch kaum. Außerdem unterschieden sich die Interessen der Betriebe je nach Größe und Produktspektrum sehr.

„Wahr ist aber auch, dass es zurzeit sehr schwer ist, ein Pharmarisiko von 1 Mrd. Euro zu decken“, sagte ein Versicherer. Einen ähnlichen Vorschlag hatte zuletzt der Chemiekonzern BASF Anfang 2002 gemacht, bisher ohne weitere Folgen.

Bayer hat seine ausländischen Haftpflichtrisiken aus Arzneimitteln bei einer Gruppe von Versicherern unter Führung der Gerling Allgemeine in Köln abgedeckt. Führende Industrie-und Rückversicherer tragen Teile des Risikos. Bisher haben sie für den Lipobay-Schaden 560 Mio. Euro zurückgestellt. Zurzeit prüfen die Versicherer eine Erhöhung der Rückstellungen. Bayer hat Haftpflicht-Versicherungsschutz bis zu einem Höchstschaden von 1 Mrd. Euro eingekauft, hieß es in Versicherungskreisen. Eine erste kleine Tranche eines solchen Großschadens müsse der Konzern unter seinem Selbstbehalt selbst zahlen.

Sollten sich Vorwürfe bewahrheiten, dass Bayer-Verantwortliche von den Gesundheitsschäden lange vor deren Bekanntwerden wussten, könnte Bayer einen Teil des Versicherungsschutzes verlieren. Denn dann könnte argumentiert werden, dass ein Teil der Schädigung der Opfer vorsätzlich geschah – Vorsatz aber ist grundsätzlich ausgeschlossen bei Haftpflichtpolicen. Deutsche Versicherungen haben bisher aber selten zu solchen Einwänden gegriffen.

Bayer-Anwalt Philip Beck widersprach gestern den Forderungen der Kläger in Texas. Die Beweismittel rechtfertigten keine signifikante Schadensersatzentscheidung, sagte er – „schon gar nicht eine Strafschadensersatzentscheidung, von der Herr Watts träumt“.

Quelle: Financial Times Deutschland


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