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Gerling laufen die Großkunden weg

Posted By Herbert Fromme On 17. März 2003 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Industrie mahnt Lösung bis zum 1. April an “ HDI legt neues Angebot vor “ Kollaps nicht ausgeschlossen

Von Herbert Fromme, Köln Die Gerling-Aktionäre haben nur noch wenige Tage Zeit, um eine Lösung für die Zukunft ihres Konzerns zu finden. Gelingt ihnen das nicht, beschädigen sie das Kerngeschäft nachhaltig. Nach Informationen der FTD haben große Industriekunden gegenüber dem Konzern erklärt, dass sie in den Vertragserneuerungen zum 1. April Gerling nicht mehr als führenden Versicherer akzeptieren, sollte die Zukunft weiterhin unklar sein.

„Wenn in den nächsten zwei Wochen nichts passiert, wird es sehr schwierig“, sagte ein Gerling-Manager. Den Zusammenbruch des gesamten Konzerns wollen Beteiligte inzwischen nicht mehr ausschließen.

Gerling ist nach der Allianz der zweitgrößte Industrieversicherer in Deutschland und führt als Spezialist auf den Gebieten Chemie und Pharma sowie Haftpflicht zahlreiche Großrisiken. Der Verlust des Kerngeschäftsfelds wäre das endgültige Aus.

Die Aktionäre Rolf Gerling, der 65,5 Prozent hält, und Deutsche Bank mit 34,5 Prozent versuchen seit einem Jahr, einen Käufer zu finden – bislang ohne greifbares Ergebnis. Im Gerling-Management wird den Eignern amateurhafter Umgang mit Interessenten und das Fehlen einer einheitlichen Linie vorgeworfen.

Nennenswerte Fortschritte gibt es nur an Nebenfronten. So wurde ein Letter of Intent mit der Swiss Re unterzeichnet, die jetzt schon 25 Prozent am Kreditversicherer Gerling NCM hält und die Mehrheit übernehmen will.

Beim Verkauf des hoch defizitären Rückversicherers Gerling Globale Rück, der abgewickelt wird, steckt die Gruppe tief im Morast gegensätzlicher Interessen von Aktionären, Kunden und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Sie untersagte den Verkauf an Ex-Frankona-Chef Achim Kann. Jetzt sucht der Gerling-Konzern einen neuen Käufer und verhandelt mit einer Reihe von Interessenten, darunter die Castlewood Holdings von Finanzier Christopher Flowers.

Auch in der Hauptsache, dem Verkauf der operativen Erstversicherungstöchter, gibt es noch keinen Durchbruch: Vertreter der Aktionäre führen weiter Gespräche mit dem Haftpflichtverband der Deutschen Industrie (HDI), der Nummer drei im Markt.

Der HDI will die Erstversicherer Gerling Allgemeine (GKA) und Gerling Leben kaufen und dafür mit Aktien der nicht börsennotierten HDI-Holding Talanx sowie seiner Tochter Hannover Rück bezahlen. Dabei wurden die Gerling-Töchter im Januar mit rund 1 Mrd. Euro bewertet.

Der HDI hat nach FTD-Informationen aus verhandlungsnahen Kreisen in der vergangenen Woche ein neues, niedrigeres Angebot abgegeben. Das entspreche den veränderten Bedingungen, unter anderem dem hohen GKA-Verlust von 300 Mio. Euro, den schlechteren Bewertungen durch die Rating-Agenturen und vor allem dem Abschreibungsbedarf bei der Gerling Leben. Eine Antwort auf das Angebot steht noch aus. Von einem Scheitern der Verhandlungen könne aber keine Rede sein.

Der HDI kann es sich leisten, Bedingungen zu stellen. „Die Großkonzerne, die nicht mehr zu Gerling gehen können, müssen dann jedenfalls zum Teil den HDI als führenden Versicherer wählen“, hieß es in den Kreisen. „Der HDI gewinnt immer, auch wenn er Gerling nicht bekommt.“

Ebenfalls interessiert sind Private-Equity-Gruppen, unter anderem die so genannte A3-Gruppierung mit der Frankfurter Investmentfirma Axcit Capital Management. „Axcit bringt sich immer gern ins Gespräch, wenn es keine wirklichen Fortschritte in den Verhandlungen gibt“, sagt ein Insider. Gegen einen Abschluss mit Axcit spricht aber, dass die Deutsche Bank dabei frisches Geld einschießen müsste. Dagegen hat sie sich immer gewehrt.

In der Endphase des Gerling-Kampfes mischen sich auch Versicherer und andere Interessenten ein, die bei einem möglichen Zusammenbruch auf die lukrative Übernahme einzelner Teile setzen. Dazu gehören Unternehmen aus Deutschland, London, der Schweiz und den USA.

Bild(er):

Gerling-Logo: Für den Versicherer ist es fünf vor zwölf – Zefa/P.Frank.

Quelle: Financial Times Deutschland


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