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Versicherer hoffen auf Hilfe der Finanzaufsicht

Posted By Herbert Fromme On 7. April 2003 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Gesamtverband fordert Erleichterungen bei den Verpflichtungen der Gesellschaften “ Interview mit GDV-Präsident Bernd Michaels

Von Herbert Fromme, Düsseldorf Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) fordert Änderungen in den Bilanzierungsregeln, um die gefährliche Situation zahlreicher Mitglieder zu entschärfen. Im Gespräch mit der Financial Times Deutschland sagte GDV-Präsident Bernd Michaels, notwendig seien neue Vorschriften für Abschreibungen und zudem dafür, wie Lebensversicherer künftige Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden bedecken.

Mit dem zweiten Punkt fordert der Verband erstmals Änderungen an den Verpflichtungen der Gesellschaften, der so genannten Passivseite der Bilanz. „Wahrscheinlich geht beides ohne Gesetzesänderung“, sagte Michaels. Die Instrumente, die der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Verfügung stehen, seien ausreichend. Nach Informationen der FTD lehnt das Bundesfinanzministerium Gesetzesänderungen ab.

Michaels reagiert damit auf die zum Teil bedrohliche Lage der Lebensversicherer. Sie leiden unter hohen Verlusten aus ihren Aktienengagements. Zuletzt mussten sie Milliarden abschreiben, weil die Kurse fielen. Noch schlimmer: In der Hoffnung auf ein baldiges Erstarken der Börse haben viele die Streckungsmöglichkeiten des Paragrafen 341 b des Handelsgesetzbuches genutzt, der nach dem 11. September 2001 auf Druck der Assekuranz eingeführt wurde. Danach müssen Unternehmen Verluste bei Aktien dann nicht abschreiben, wenn der Wertrückgang nicht dauerhaft ist. Ende 2002 hatte die Branche nach GDV-Angaben derart stille Lasten in Höhe von 15 bis 20 Mrd. Euro aufgetürmt, andere Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus.

Ein Großteil der Belastung würde auf die Bilanzen 2003 entfallen – Lebensversicherer müssten die Wertverluste verdauen und gleichzeitig in vielen Fällen frisches Geld einschießen, um die strikten gesetzlichen Vorschriften für die Bedeckung der künftigen Verpflichtungen gegenüber den Kunden zu erfüllen.

Die Regeln für die Bedeckung will Michaels nun aufweichen – und bricht damit ein Tabu. „Dabei geht es nicht um das Geld, das den Kunden schon fest gut geschrieben wurde“, sagte er. Aber Gewinnreserven für künftige Gutschriften sollten nicht länger ähnlich strikt durch Kapitalanlagen zu bedecken sein. Michaels verwies auf den nicht gebundenen Teil der Rückstellungen für Beitragsrückerstattung (RfB), der auch freie RfB genannt wird, und die Rückstellungen für Schlussüberschüsse, die erst bei Vertragsende fällig werden. „Die Verwendung der freien RfB und der Schlussüberschussanteile zur Reduzierung der Unterdeckung ist schon heute unter bestimmten Bedingungen im Einzelfall möglich. Die BaFin muss einfach Regeln entwerfen, unter welchen Voraussetzungen dies generell gelten soll.“

Michaels will an beiden Seiten der Bilanz ansetzen: Man könne sowohl die Abschreibungen der Langfristigkeit der Verpflichtungen anpassen als auch die Höhe der durch Kapitalanlagen zu bedeckenden Verpflichtungen reduzieren, sagte er.

In der Abschreibungsproblematik glaubt Michaels, dass die bestehenden Gesetze ausreichen, um eine „angemessene Interpretation“ zu erlauben. Wenn die Börse sich bis Jahresende nicht dramatisch erhole, seien zwar hohe Wertberichtigungen nötig. „Aber auf welchen Wert die Aktien abgeschrieben werden müssen, das steht nicht fest. Im Rahmen des Paragrafen 341 b muss das nicht der Marktwert sein“, sagte Michaels. „Es muss auf einen realistischen Wert abgeschrieben werden. Wir müssen künftig den realistischen Wert von Aktien etwas aufwendiger ermitteln als bisher und größere Unterschiede machen zwischen den einzelnen Aktien“, sagte er. „Auch im Rahmen der geltenden Gesetze kommen wir zu einem Abschreibungsbedarf, der zwar hoch ist, aber nicht einfach identisch ist mit den stillen Lasten von heute.“ Die genauen Regeln würden die Wirtschaftsprüfer vorgeben. Auch hier müsse die BaFin zustimmen.

Michaels trat auch für Änderungen bei den von der BaFin verlangten Stresstests ein. Dabei wird simuliert, ob ein Versicherer nach einem weiteren Rückgang des Werts der Aktien um 35 Prozent und seiner Rentenwerte um zehn Prozent die Verpflichtungen noch erfüllt: „Der Stresstest ist ein Frühwarnsystem unter mehreren und kein Wettbewerbsmodell.“

Zitat:

„Die Aktien müssen nicht auf den Marktwert abgeschrieben werden“ – GDV-Präsident Michaels

Bild(er):

GDV-Präsident Bernd Michaels auf einer Tagung des Verbandes in Berlin. Hinter ihm Gerhard Rupprecht, Chef der Allianz Leben – Marc-Steffen Unger.

Quelle: Financial Times Deutschland


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