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Versicherungsmathematiker fordern geringeren Garantiezins

Posted By Anja Krüger On 2. Mai 2003 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Frühwarnsystem sollte Stresstests der Aufsicht ergänzen

Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) tritt dafür ein, dass Finanzminister Hans Eichel die Garantieverzinsung für Lebensversicherungen von jetzt 3,25 Prozent deutlich senkt. „Das ist keine Frage des Ob, sondern des Wann“, sagte DAV-Vorstand Martin Balleer bei der Jahrestagung der Vereinigung in Bonn.

Über Ausmaß und Zeitpunkt der Senkung sei die DAV mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Gespräch, berichtete Balleer. „Die Versicherer brauchen etwa ein Jahr, um sich auf eine Änderung vorzubereiten.“

Auf Vorschlag der DAV empfiehlt die BaFin der Regierung die Beibehaltung oder Änderung des höchsten erlaubten Garantiezinses der Lebensversicherer.

In der DAV sind 2000 Versicherungsmathematiker organisiert. Die leitenden Aktuare der Versicherer müssen sicherstellen, dass die Unternehmen ihre Verpflichtungen gegenüber den Kunden erfüllen können. Nach der Erfahrung der Aktienkrise dringt die DAV darauf, dass sich die Lebensversicherer ein Frühwarnsystem zulegen. Mit mittelfristigen Simultanrechnungen sollen die Unternehmen feststellen, ob sie in drei bis fünf Jahren ihren Verpflichtungen noch nachkommen können.

Im vergangenen Jahr hatte die DAV angeregt, Stresstests für Lebensversicherer einzuführen. Die BaFin ist diesem Vorschlag gefolgt. Bei diesem Test prüfen die Unternehmen die Auswirkungen extremer Kapitalmarktrückgänge. Der Stresstest bezieht sich nur auf die Gegenwart. Die Simultanrechnungen geben dagegen über die nächsten Jahre Auskunft. Dabei sollen die Verbindlichkeiten des Unternehmens hochgerechnet und mit den erwarteten Kapitaleinnahmen verglichen werden. „Der Aktuar muss sich früh damit auseinander setzen, was der Kapitalanleger angeschafft hat, damit er Ausfallwahrscheinlichkeiten hochrechnen kann“, erklärte der DAV-Vorsitzende Kurt Wolfsdorf. Kaufe der Anleger etwa Papiere mit einer Rendite von neun Prozent, dürfe der Aktuar nicht so blauäugig sein zu glauben, dass mit dieser Investition kein Risiko verbunden sei. „Im Ernstfall muss der Aktuar das Testat verweigern“, erklärte Wolfsdorf.

Publik werden soll das Ergebnis aber nicht. Nach den Plänen der DAV steht es lediglich im nicht öffentlichen Bericht des Aktuars für die BaFin.

Mit der Prüfung der Kapitalanlagen werden viele Aktuare Neuland betreten. Denn solange die Lebensversicherer mit ihren Kapitalanlagen enorme Renditen erwirtschafteten, befassten sich die Aktuare vor allem mit der Passiv-Seite der Bilanzen, den Verpflichtungen gegenüber den Kunden.

Deshalb erwägt die DAV die Einführung obligatorischer Fortbildungen für die führenden Versicherungsmathematiker. „Wir tragen uns mit der Absicht, die verantwortlichen Aktuare auch zur Weiterbildung zu verpflichten“, sagte Balleer. Er ist überzeugt, dass die Aufsicht dieses Vorhaben unterstützt, weil damit die Position des leitenden Aktuars in den Unternehmen gestärkt würde. Glaubt man BaFin-Vertreter Wolfgang Vogel, ist das auch nötig: „Wir sehen immer wieder, dass Aktuare nicht alle Informationen bekommen, die sie brauchen.“

Zitat:

„Der Aktuar muss wissen, was der Kapitalanleger kauft“ – Kurt Wolfsdorf, DAV.

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland


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