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Für die Mannheimer läuft die Zeit ab

Posted By Herbert Fromme On 16. Juni 2003 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Versicherungsbranche muss in dieser Woche 300 Mio. Euro aufbringen · Konzernchef Schreiber tritt zurück

Von Herbert Fromme, Köln Die Zukunft der angeschlagenen Mannheimer Versicherungsgruppe entscheidet sich bis Ende dieser Woche. Heute Abend trifft sich nach FTD-Informationen die Spitze des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), um über Lösungsvorschläge zu beraten, die eine GDV-Arbeitsgruppe ausgearbeitet hat. Noch ist nicht ausgemacht, dass die Vorstände der größten Versicherer heute dem Rettungsplan zustimmen.

Ein bedeutendes Hindernis auf dem Weg zu einer Lösung wurde am Freitag allerdings beseitigt: Auf Druck der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) trat der langjährige Konzernchef Hans Schreiber zurück. Die Bonner Behörde wollte keiner wie auch immer gearteten Lösung zustimmen, bei der Schreiber im Amt geblieben wäre. Auch die Tage des Lebensversicherungschefs Klaus Bohn sind gezählt. Ein neuer Konzern-Vorstandsvorsitzender wurde noch nicht bestellt. In der Übergangszeit nimmt Vorstandsmitglied Lothar Stöckbauer die Rolle des Sprechers wahr.

Schreiber hatte zu ungünstigen Zeitpunkten hohe Summen in den Aktienmarkt investiert. Die nach dem Börsencrash nötigen Wertberichtigungen haben den Versicherer an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Ohne mindestens 300 Mio. Euro an frischem Geld droht die Insolvenz.Euro

Schreibers Rücktritt ist noch nicht gleichbedeutend mit der Rettung der Mannheimer. Bis Donnerstag muss der GDV der BaFin mitteilen, ob er die 300 Mio. Euro zusammenbekommt. Nur bei entsprechender Zusage des GDV und seiner Mitglieder, wird die Aufsicht das Rettungskonzept genehmigen. Ist dies nicht der Fall, würde die BaFin auf der Übertragung aller Verträge der Mannheimer Lebensversicherung auf Protektor bestehen, die von den GDV-Mitgliedern gegründete Auffanggesellschaft.

„In der Assekuranz ist die Begeisterung für eine Mannheimer-Rettung nicht sehr groß“, sagte ein Manager. Viele Unternehmen fürchten einen teuren Präzedenzfall – wenn die Branche die Mannheimer rettet, müsste sie auch bei größeren Problemfällen ähnlich vorgehen. Allerdings müsse genau gerechnet werden, ob die Rettung der Mannheimer oder der Übergang der Verträge auf Protektor billiger sei, hieß es auch bei Gesellschaften, die der Rettungsaktion kritisch gegenüberstehen.

Protektor ist bisher eine virtuelle Gesellschaft mit zwei Vorstandsmitgliedern. Wenn die Mannheimer-Verträge wirklich der Auffanggesellschaft übertragen werden, muss binnen kurzer Zeit eine Infrastruktur aufgebaut und Protektor kapitalisiert werden. Das würde für die gesamte Branche teuer: Schließlich haben sich die deutschen Lebensversicherer verpflichtet, Protektor entsprechend ihrer Marktanteile mit Kapital zu versorgen. Hinzu kommt der politische Preis. Die Assekuranz müsste mit erheblichen Rückschlägen bei der Stärkung der privaten Altersvorsorge rechnen.

Nicht nur die Frage, ob, sondern auch wie die Mannheimer gerettet werden soll, diskutiert heute die GDV-Spitze Von den 300 Mio. Euro sollen 130 Mio. Euro über eine Kapitalerhöhung aufgebracht werden, womöglich verbunden mit einer Herabsetzung des bestehenden Kapitals. Von den übrigen 170 Mio. Euro soll ein großer Teil durch die Ausgabe von Genussscheinkapital, ein kleinerer Teil über die Rückversicherung durch Vorfinanzierung künftiger Gewinne aufgebracht werden.

Ursprünglich wollte die Branche die vollen 170 Mio. Euro über die Rückversicherung aufbringen – aber BaFin-Versicherungsaufseher Thomas Steffen hatte erklärt, dass er das nicht billigen werde.

Großaktionäre der Mannheimer sind die österreichische Uniqa mit 13 Prozent, die Münchener Rück mit zehn Prozent sowie sechs weitere Versicherer mit jeweils weniger als fünf Prozent. Ob die Aktionäre gesondert zur Kasse gebeten werden oder der gesamte Lebensversicherungsmarkt – analog zu Protektor – nach dem jeweiligen Marktanteil für die Rettungskosten zahlen soll, ist offen. Weil allen deutschen Lebensversicherern die Kosten für die Ingangsetzung von Protektor erspart blieben, würde eine solche Lösung Sinn ergeben, heißt es in Branchenkreisen.

Zitat:

„Die Begeisterung für die Mannheimer-Rettung ist nicht sehr groß“ – Versicherungsmanager

Bild(er):

So langsam wird es eng für die Mannheimer: Bis Ende dieser Woche muss Klarheit über die Zukunft der Versicherungsgruppe bestehen – archivberlin/Alex Tossi.

Quelle: Financial Times Deutschland


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