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Industrie streicht Versicherungsschutz zusammen

Posted By Herbert Fromme On 2. September 2003 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

FTD-Interview mit Aon-Chef Dankwart von Schultzendorff · Makler sieht noch kein Ende der Hochpreisphase

Von Herbert Fromme, Hamburg Immer mehr Industrieunternehmen reduzieren ihren Versicherungsschutz, um den hohen Preisforderungen der Assekuranz auszuweichen. „Die Kunden tragen deutlich mehr Risiken selbst. Höhere Selbstbeteiligungen der versicherten Unternehmen und Einschränkungen der Deckung sind an der Tagesordnung“, sagte Dankwart von Schultzendorff der FTD. Er ist Chef des größten deutschen Versicherungsmaklers Aon Jauch & Hübener, der zur international zweitgrößten Maklerorganisation Aon mit Stammsitz in Chicago gehört.

„Die Risikosituation der Versicherer hat sich in den letzten Jahren massiv verbessert, ohne dass man das in entsprechenden Umsatzsteigerungen sieht“, sagte von Schultzendorff. Eine Trendwende zu Gunsten der Versicherungskunden sieht von Schultzendorff nicht. „In der Schaden-und Unfallversicherung wird der Markt nicht weicher. Bei Naturgefahren erwarte ich, dass die Preise noch leicht nach oben gehen.“ Allerdings müssten so genannte sanierte Kunden, bei denen die Versicherer in den vergangenen Jahren schon drastisch erhöht haben, nicht mit weiteren Preisanhebungen rechnen.

Das Kartellverfahren gegen Industrieversicherer wegen angeblicher Preisabsprachen beobachtet er genau. „Wir nutzen unsere Einkaufsmacht, um für jeden einzelnen unserer Kunden individuell die bestmögliche Deckung auszuhandeln“, sagte von Schultzendorff. Die Einbindung ausländischer Versicherer sei dabei hilfreich.

Dramatische Entwicklungen gebe es in Spezialsparten, zum Beispiel Vermögensschaden-Haftpflicht, Rückrufrisiken oder der Manager-und Aufsichtsratshaftpflicht Directors‘ and Officers‘ Liability (D&O). „Heftige Deckungseinschränkungen gehen einher mit Prämiensteigerungen und Selbstbeteiligungsforderungen.“

Ein Unternehmen, das gerade seinen Börsengang hinter sich hat, habe statt 300 000 Euro plötzlich 1,2 Mio. Euro für D&O zahlen sollen, während die Deckungssumme von 12 Mio. Euro auf 7 Mio. Euro reduziert wurde. „Gleichzeitig hat der Versicherer die Selbstbeteiligung auf 1 Mio. Euro pro Schadenfall erhöht, 20 Prozent eines jeden Schadens muss der Versicherte auf jeden Fall selbst zahlen.“ Da frage sich so mancher Aufsichtsrat, ob er sich das künftig noch antun soll.

Für einen Makler sind solche Marktphasen eigentlich goldene Zeiten: Er profitiert von den höheren Preisen – schließlich verdient er vor allem an Provisionen – und er erlebt eine größere Nachfrage. Aber von Schultzendorff wehrt sich dagegen, dass die Makler nur Krokodilstränen vergießen, wenn sie über die hohen Preise reden. „Das machen die Kunden nicht mit. Sie wollen unsere Beratungsleistung, die ist essenziell. Wir müssen dem Kunden sagen, das musst du haben, auf das andere kannst du verzichten.“

Finanzzahlen der Tochter veröffentlicht der US-Konzern nicht, nur den Umsatz von 250 Mio.Euro im vergangenen Jahr lässt sich von Schultzendorff entlocken. Darin ist die Sparte Rückversicherungsvermittlung enthalten. Das Wachstum habe „unter zehn Prozent“ gelegen, alle Bereiche seien profitabel.

Sein Unternehmen hat gerade eine weitreichende Restrukturierung hinter sich, die sehr viel Kraft gekostet hat. Aber die im Versicherungsmarkt gelegentlich zu hörende Meinung, der Marktzweite Marsh gewinne an Einfluss, will von Schultzendorff nicht gelten lassen. „Wir können nicht feststellen, dass wir gegenüber Marsh Terrain verlieren. Im Gegenteil, wir sind zuversichtlich, dass wir an der Spitze auch in Zukunft voranmarschieren. Ich habe keine Hinweise, dass Marsh uns da schon sehr auf den Fersen ist.“

Aon sei in einer Phase der Konsolidierung. „Das Unternehmen ist in den letzten Jahren massiv über Zukäufe gewachsen.“ Das habe bereinigt werden müssen. „Wo gehobelt wird, fallen Späne. Wir hatten vor 18 Monaten eine schwierige Situation, aber da sind wir jetzt heraus.“

Im Oktober 2002 sei die neue Struktur eingeführt worden, die das Know-how in vier Regionalzentren bündele. „Früher waren wir in 50 Kundenteams tätig, wie ein regional tätiger Kleinmakler mit den Kosten eines Großmaklers.“ Jetzt seien die vier Regionalzentren Ansprechpartner für Kunden und Versicherer.

Erfolg habe Aon Jauch & Hübener mit Spezialprodukten wie der Zusatzdeckungen für Kreditversicherung, die bestehende Lücken schließt. Für fünf Bundesligaklubs sichere das Unternehmen die Marktwerte der Spieler gegen Unfall und Invalidität ab. Ein wichtiger Wachstumsmarkt sei die betriebliche Altersvorsorge, wo von Schultzendorff ein zweistelliges Wachstum erwartet.

Zitat:

„Die Situation der Versicherer hat sich massiv verbessert“ – Aon-Chef Dankwart von Schultzendorff

Bild(er):

Aon-Chef Dankwart von Schultzendorff – Christian Charisius.

Quelle: Financial Times Deutschland


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