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Hohe Renditen spielen im Wettbewerb um Kunden geringere Rolle · Interview mit Assekurata-Chef Reiner Will · Gegen Rating-Aufsicht

Posted By Herbert Fromme On 28. November 2003 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Von Herbert Fromme und Anja Krüger, Köln Der starke Rückgang der Gewinnbeteiligungen für Lebensversicherungskunden führt zu einer grundlegenden Änderung im Konkurrenzverhalten der Gesellschaften. „Der bisherige Renditewettbewerb wird zunehmend durch einen Sicherheitswettbewerb unter den Lebensversicherern abgelöst“, sagte Rating-Experte Reiner Will im FTD-Interview. Er führt zusammen mit Christoph Sönnichsen die Kölner Rating- Agentur Assekurata, die sich auf die Bewertung von Versicherern spezialisiert hat.

Die gegenwärtigen Schwierigkeiten der Lebensversicherer gehen auf Fehlentscheidungen der Unternehmen seit Ende der 90er Jahre zurück, erklärte Will. Der Hauptfehler: „Die Versicherer sagten ihren Kunden zu hohe Gewinnbeteiligungen zu.“

Seit Anfang der 90er Jahre fielen die Zinsen für festverzinsliche Wertpapiere. Trotzdem schrieben die Versicherer den Kunden mehr als sieben Prozent Verzinsung gut. Das sei nur mit dem Renditewettbewerb unter den Lebensversicherern sowie der Konkurrenz mit Banken und Fonds erklärbar. „Der Versuch, die Lücke über Aktienerträge auszugleichen, ist offensichtlich fehlgeschlagen“, sagte Will.

Schon 2000 sei das Problem offenbar geworden. Assekurata habe darauf hingewiesen, dass ein Drittel der Versicherer-Beispielrechnungen nicht plausibel sei, und eine Absenkung der Gewinnbeteiligungen gefordert. Die habe aber damals den Versicherern nicht ins Konzept gepasst – schließlich musste die Einführung der Riester-Rente politisch durchgesetzt werden. Erst Ende 2001 senkten die Gesellschaften im Gefolge des Börsencrashs die Gewinndeklarationen für 2002 moderat. Marktführer Allianz reduzierte den Satz von 7,5 Prozent auf 6,8 Prozent, andere zogen nach.

Für 2003 schreibt die Allianz 5,3 Prozent gut, andere weniger. „2003 erhalten die Kunden im Durchschnitt noch 4,7 Prozent laufende Verzinsung“, sagte Will. Er erwartet eine weitere Absenkung um mindestens einen halben Punkt für 2004.

Das Interesse in der Assekuranz an Ratings sei in den letzten Monaten sprunghaft gestiegen. Für den Vertrieb sei der Nachweis der finanziellen Solidität und der Kundenfreundlichkeit immer wichtiger. Auch Banken, Rückversicherer und Maklerverbünde interessieren sich zunehmend für die Assekurata-Ratings.

Die 1996 gegründete Agentur hat zurzeit mehr als 40 einzelne Gesellschaften im Rating, sagte Will. Es gebe keinen Zwang für die Unternehmen, ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. Zurzeit tun das neun Krankenversicherer, fünf Lebensversicherer sowie elf Schaden- und Unfallversicherer. Ein Erstrating kostet 75 000 E, Folgeratings jeweils rund 55 000 E.“Die Beurteilungen der Unternehmen sind in den letzten Jahren tendenziell schlechter geworden“, sagte Will. Vor allem die finanzielle Sicherheit der Unternehmen sei nicht mehr so stark wie früher. „Für die Versicherer stellen die niedrigen Zinsen langfristig das größte Problem dar.“Eine wichtige Baustelle der Assekuranz sei die Einführung der neuen Kapitalbedeckungsregeln, die analog zu Basel II für Banken „Solvency II“ heißen. „Manche Unternehmen brauchen mehr Risikokapital“, sagte Will. Auf jeden Fall müssen sie das Asset-Liability-Matching entwickeln, bei dem die Kapitalanlagestruktur mit Risiken und Verpflichtungen gegenüber den Kunden in Einklang gebracht wird. „Hier haben viele Gesellschaften noch Nachholbedarf.“Assekurata bewertet Versicherer aus Kunden- und Maklersicht. Die Agentur führt deshalb neben einer Analyse der internen Zahlen und Managementinterviews auch eine umfangreiche Kundenbefragung durch. Damit unterscheidet sie sich von Rating-Agenturen wie Standard & Poor’s, Moody’s oder Fitch, die vor allem die Kapitalmarktperspektive einnehmen. „Nicht zweckmäßig“ findet Will eine staatliche Aufsicht über Rating-Agenturen, die in letzter Zeit von Politikern gefordert wurde. „Ich habe nichts dagegen, der Finanzaufsicht BaFin unsere Methode zu erklären“, sagte er. Aber der zentrale Korrekturfaktor sei der Markt. „Wir können uns Fehlurteile nicht erlauben. Wenn unsere Beurteilung weit jenseits der Einschätzungen des Marktes liegt, gibt es starke Zweifel.“

Zitat:

„Die Versicherer sagten ihren Kunden zu hohe Gewinnbeteiligungen zu“ – Reiner Will, Assekurata

Bild(er):

Assekurata-Chef Reiner Will bewertet Versicherer nach Finanzstärke und Kundenfreundlichkeit – Jürgen Schwarz (2)

Quelle: Financial Times Deutschland


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